Eine Ausstellung mit Dinos und Jake Chapman, Wim Delvoye, Ulrike Grossarth, Yvonne Rainer, Sam Taylor-Wood und Paul Thek.
Barock ist in Wien allgegenwärtig: Wiens Kirchen, öffentliche Räume und Sammlungen in Museen, barocke Festkultur und die Wiener Kunstgeschichtsschreibung eines Alois Riegl oder Julius von Schlosser, die den Barock auf den Begriff gebracht hat.
Die Kunsthalle Wien zeigt in der ersten Ausstellung in ihrer neuen, großen Halle im Museumsquartier – einem Kulturviertel das maßgeblich von der Barockarchitektur des J.B. Fischer von Erlach geprägt ist –,daß das 17. Jahrhundert nicht nur an historischen Fassaden zu finden ist, sondern auch in der zeitgenössischen Kunst eine besondere Rolle spielt.
„Die Moderne und besonders die zeitgenössische Kunst knüpft eher an ästhetischen Konzepten des Barock an als an die Idee eines Gesamtkunstwerks aus dem 19. Jahrhundert“, so die Ausstellungskuratoren Sabine Folie und Michael Glasmeier. Für die Ausstellung sind zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen aus verschiedenen Generationen mit fertigen oder noch zu realisierenden Werken eingeladen, nicht um das Thema Barock zu illustrieren, sondern um Haltungen aufzuspüren, die einem barocken Kunstkonzept verwandt sind.
Dinos and Jake Chapman, Wim Delvoye, Ulrike Grossarth, Yvonne Rainer, Sam Taylor-Wood und Paul Thek schlagen eine Brücke zwischen barocken Ideen und Konzepten und Positionen heutigen Kunstmachens. Gegensatzpaare wie sie für den Barock kennzeichend sind, lassen sich auch in der Ausstellung wiederfinden. Sie oszilliert zwischen Allegorie und Realismus, zwischen Fest und Vanitas, zwischen Erotik und Religion, zwischen heilig und profan, dargestellt durch theatralische, rhetorische und illusionistische Kunstgriffe.
Obwohl die einzelnen künstlerischen Positionen völlig für sich stehen, lassen sie sich auch mit einem quasi barocken Vokabular entziffern. Dann etwa, wenn der amerikanische Künstler Paul Thek in seinen Liturgien, Ritualen, „Technologischen Reliquaren“ oder den „Processions“ Übergangs- oder Initiationsriten zelebriert. Oder wenn Yvonne Rainer als Tänzerin, Choreografin und Filmemacherin in neuen und älteren Arbeiten ein wahres Welttheater in einem komplexen System von rhetorischen Techniken vorführt: Collage, Maskerade, Slapstick, Rückblenden wechseln sich mit Texteinschübenund den gesprochenen Kommentaren der Autorin (barocker Chor) ab. Sam Taylor-Wood zeigt panoramatische Räume, in denen sie allegorische Erzählungen inszeniert. Verletzliche, kranke, begehrende und ambivalente Körper erscheinen auf der Bühne der Welt und spielen die ihnen zugedachte Rolle. Ulrike Grossarth arbeitet in Bilderzählungen, ähnlich barocker Emblematik, an einem Leibnizschen Unendlichkeitsraum: der Raum als Monade mit Objekten zwischen amorpher Versuchsanordung und Kunst- und Wunderkammer. Die barocke Leidenschaft, den menschlichen Körper als Maschine zu betrachten, kommt in Wim Delvoyes CLOACA (2000) zum Ausdruck und wird erlebbar als 12 m langer, lebendiger Verdauungstrakt mit entsprechenden Folgen. Schliesslich ernüchtern Dinos and Jake Chapman mit der Schattenseite des Lebens als Fest: dem Totentanz, demGrauen.
Kuratoren: Sabine Folie, Michael Glasmeier
Ausstellungsarchitektur: Berger + Parkkinen Architekten
Wir danken für die freundlichen Unterstützung: dem Hauptsponsor Ottakringer Brauerei, dem Sponsor Austrian Airlines, dem Förderer The British Council.