„Notfalls leben wir auch ohne Herz“ (J. Beuys)

Ausstellung
13/3 1997 — 11/5 1997
Karlsplatz

Die Beziehung zwischen Joseph Beuys und dem Kölner Arzt Dr. Reiner Speck war prägend für den Aufbau von dessen einzigartiger Sammlung. Als sich Joseph Beuys im Juli 1975 von seinem Herzinfarkt erholt, schenkt ihm Reiner Speck den Roman „Die Reise des jungen Anacharsis durch Griechenland“ (Jean-Jacques Barthélemy, 1788) und der Künstler ergänzt das Buch mit seinem EKG, mit einer Rasierklinge und zwei Lorbeerblättern. Beuys gibt dem Werk den Titel „Notfalls leben wir auch ohne Herz“ und formuliert mit dieser Durchhalteparole sein Plädoyer für menschliche Wärme und Liebe.

Bücherliebhaber Reiner Speck hat in den vergangenen Jahrzehnten größere Werkgruppen von international bedeutenden Künstlern zusammengetragen. Die Aufzählung der Künstlernamen liest sich wie eine Hitliste zur Kunst der letzten 40 Jahre. In der Ausstellung werden mehr als 200 exemplarische Werke gezeigt – Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen sowie ein spezieller Schwerpunkt mit Künstlerbüchern. Die ältere Generation umfaßt Künstler wie Carl Andre und Lawrence Weiner und reicht in der jüngeren Generation von Walter Dahn bis Rosemarie Trockel.

Die Begeisterung für das gedruckte Wort oder Bild, für das Literarische, für die alltägliche ebenso wie die poetische Verständigung verbindet einen Großteil der Künstler in der Sammlung Speck. Diese Künstler sind selbst Jäger und Sammler, sie durchforsten die Welt auf der Suche nach Anknüpfungspunkten für künstlerische Manifestationen. Ihr Arbeitsmaterial finden sie wie Broodthaers in Büchern oder wie Polke in alten Illustrierten oder wie Fulton in der sogenannten unberührten Natur. Nicht nur das Sehen und Lesen sind ein roter Faden durch die Ausstellung, sondern auch das Gehen.

Hamish Fulton bezeichnet das Gehen als die elementarste Beziehung des Menschen zu seiner Umgebung. Für manche Künstler stehen Exkursionen, Wanderungen oder gar Expeditionen am Beginn der künstlerischen Arbeit, etwa für Kirkebys gemalte Abstraktionen (nach Reiseeindrücken und Skizzen von seinen Expeditionen in Skandinavien und Brasilien), Fultons Zeichnungen zur Dokumentation seiner Wanderungen in menschenleeren Gebieten. Andere Werke erfordern von den Besuchern ein Abschreiten: Carl Andres Stahlplatten („81 Steel Cardinal“), Kiecols postminimalistische Betonsäulen oder Lawrence Weiners riesiger Schriftzug JUST ANOTHER MOVEMENT OF THE TIDE (IMPAIRED), NUR EINE WEITERE BEWEGUNG DER GEZEITEN (ABGESCHWÄCHT). Mit diesem weist der Künstler lapidar auf die ferne zyklische Bewegung des Meeres hin, die ungerührt vom menschlichen Treiben abläuft.

Mobilität erfordern auch jene künstlerischen Beiträge, die im Außenraum rund um die Kunsthalle angesiedelt sind. Günther Förg entwirft für die sechs SchauFenster der Kunsthalle neue Bilder – wie graue Schiefertafeln mit weißen Strichel- und Gitter-Zeichen. Mario Merz installiert auf dem Dach des Kunsthallen-Cafés sieben Neonziffern („Progressione di Fibonacci“, 1971).

Der Katalog zur Ausstellung beinhaltet Künstlertexte, Beiträge von Schriftstellern sowie Untersuchungen zu exemplarischen Werkgruppen, Rosemarie Trockel gestaltet ein Lesezeichen für den Katalog. Die Beiträge stammen u. a. von Franzobel, Rudolf Haller, Cornelia Klinger, Johannes auf der Lake, Ruth Noack, Ralph Rugoff, Reiner Speck, Jan Tabor, Freddy de Vree.

Kurator der Ausstellung ist Christian Theo Steiner.

Teilnehmende Künstler:

Carl Andre, Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, James Lee Byars, Walter Dahn, Günther Förg, Hamish Fulton, Georg Herold, Hubert Kiecol, Per Kirkeby, Jannis Kounellis, Walter de Maria, Mario Merz, Blinky Palermo, Raymond Pettibon, Sigmar Polke, Rosemarie Trockel, Cy Twombly, Lawrence Weiner.