„Ich habe von Anfang an versucht, Kunst zu machen, […] die sofort voll da ist. Wie ein Hieb ins Gesicht mit dem Baseballschläger, oder besser, wie ein Schlag ins Genick. Man sieht den Schlag nicht kommen, er haut einen einfach um.“ Bruce Nauman 1987
Die Werke des Schriftstellers Samuel Beckett und des Künstlers Bruce Nauman zählen zu den einflußreichsten der Moderne. Gemeinsam ist beiden die elementare Auseinandersetzung mit Körper und Raum. Kompromiss- und illusionslos stellen sie sich die Frage nach dem Menschsein in der heutigen Zeit, nach der „condition humaine“, nach der menschlichen Identität. Mit der Ausstellung wird erstmals der Versuch unternommen, diese zwei in ihrer Einzigartigkeit und Intensität höchst komplexen Künstler in einem räumlich-gedanklichen Gefüge zusammenzubringen. Beckett und Nauman halten mehr als andere Künstler eine Erfahrung bereit, die das Publikum anregt, sich von Denk- und Wahrnehmungsgewohnheiten abzukoppeln und sich anderen Raumkonzepten zu öffnen.
Beckett hat die Theaterbühne von allem Überflüssigen befreit und die Rolle des Menschen auf das Elementare der menschlichen Existenz, auf Liebe, Macht und Identität zugespitzt. Er schafft, ausgehend vom Text, skulpturale Räume und dringt vom Theater in die Medien Radio, Fernsehen und Film vor. Am Endpunkt dieser Entwicklung veranschaulicht zum Beispiel das Fernsehstück ‚Quadrat‘ (1982), wie Beckett im Medium Film sein schriftstellerisches Projekt ‚ohne Sprache‘ fortsetzt. Er entwirft hier einen mentalen Raum aus Licht, Bewegung und Sound und realisiert eine Art Quadratur des Kreises von der Sprache zum Raum. Beckett definiert Räume durch das Personal (die Schauspieler), durch jene „selbstbewußten Nichtexistierenden“. Nauman kehrt diese Situation um und zieht die Bühnenlinie erst um sich und dann um den Betrachter zusammen. Seine ‚mental spaces‘ – wie etwa in Dream Passage II – funktionieren nur durch die Betrachter, deren Position und Rolle er durch seine Räume und Korridore definiert, und somit das Verhältnis von Kunstwerk und Publikum radikal verschiebt.
Die Werke beider sind bis ins kleinste Detail durchdacht. Jedes überflüssige Ornament ist ihnen weggeschnitten zugunsten einer Wirklichkeit von Körpern in Räumen und Erfahrungen, die mehr als realistisch und trostlos ist. Kunst hat hier nichts mehr mit Kompensation zu schaffen, mit Versöhnung oder Aufklärung. Kunst ist. Beide argumentieren aus einer bewußt gewählten gesellschaftlichen Isolierung heraus, versuchen bzw. haben immer versucht, sich den Mechanismen von Kunst und Berühmtheit zu entziehen, und die Rolle und Aufgabe der Kunst und des Künstlers radikal zu hinterfragen.
In der Ausstellung treffen die verschiedensten Medien und Exponatarten aufeinander. Notizzettel, Originalmanuskripte, Booklets und Bücher, Skizzen, Zeichnungen, Diashows, Objekte, Fernsehstücke, Videos, Filme, Installationen oder Rauminszenierungen wechseln sich ab, bedingen einander und rufen ständige Blickwechsel hervor.
Erstmalig werden für Wien wichtige Werkblöcke von Manuskripten Samuel Becketts aus den Archiven entlassen, u.a. die sechs Notizbücher des Romans „Watt“, der einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die amerikanische Kunst des Minimalismus hatte und vor allem Bruce Nauman in seiner Raumauffassung bestärkte. In über zwanzig Vitrinen werden diese und weitere Dokumente zusammen mit Fotos und Erstausgaben präsentiert. Hier wird sichtbar, wie stark Beckett visuell und konzeptuell beim Schreiben dachte. Von Bruce Nauman werden ca. fünfzig Zeichnungen aus Werkphasen von 1966 bis 1984 zu sehen sein, außerdem Skulpturen und Installationen wie „Dream Passage II“. Eine Weltpremiere ist die Präsentation der großen Installation „False Silence“ von 1975, eine zentrale Arbeit Naumans, die anläßlich der Ausstellung zum ersten Mal aufgebaut wird. „False Silence“ besticht durch klaustrophobische Enge und Länge des Ganges und die Kombination mit ‚unangenehmen‘ dreieckigen Räumen. Es ist seine einzige Korridorarbeit, die mit einem gesprochenem Text versehen ist.
Filme und Videos von Nauman sowie Becketts Produktionen für das Fernsehen und Radio und sein einziger Film „Film“ mit Buster Keaton bilden einen weiteren, wichtigen Schwerpunkt der Ausstellung.
Kuratoren: Christine Hoffmann, Michael Glasmeier wissenschaftliche Mitarbeit: Gaby Hartel