Die Skulptur von Olaf Metzel „Turkish Delight“ lässt Nacktheit und Verschleierung, zwei widersprüchliche Werte an einem Körper kollidieren. Der Frauenkörper wird zur Heimat für symbolische Kämpfe und Widersprüche zwischen Ost und West. Einer Heimat, die vieles in sich birgt: die westliche Enttäuschung über den Osten, die Arroganz des Okzidents, den Widerstand und das Bestreben des Morgenlandes so zu sein wie das Abendland. Ist es denkbar, dass sich die beiden Pole gegenseitig ergänzen?
Olaf Metzel, geboren 1952 in Berlin, lebt und arbeitet in München.
Vandalenakt an der Skulptur „Turkish Delight“
Am 8. Dezember 2007 ist Olaf Metzels Arbeit, die als Skulptur im öffentlichen Raum temporär am Karlsplatz aufgestellt wurde, bereits zum zweiten Mal attackiert und schwer beschädigt worden.
Mit der Aufstellung der Skulptur „Turkish Delight“ im öffentlichen Raum des Karlsplatzes wollten der Künstler Olaf Metzel und die Kunsthalle Wien eine öffentliche Debatte herbeiführen. Das Werk siedelt sich an der Schnittstelle von Orient und Okzident an, es schließt Debatten zum kommerziellen Gebrauch des Körpers der Frau in der westlichen Mediengesellschaft genauso ein, wie die Kritik an der fundamentalistischen islamischen Praxis, die Frau hinter Schleiern zu verstecken oder überhaupt aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Es geht bei Olaf Metzels Skulptur um die Diskussion „eines universalistisch-partikularistischen Polarisierungskampfes , mit dem Ziel, die Koexistenz dieser Gegensätzlichkeiten am selben Körper zu ermöglichen,“ wie die türkische Schriftstellerin Ay?egül Sönmez schreibt. „Turkish Delight“ berührt auch die sogenannte Kopftuchdebatte, die in den letzten Jahren immer wieder herangezogen wurde, um grundsätzliche gesellschaftliche Fragen nach Liberalität, Toleranz, Integrationswilligkeit und ideologischer Verblendung zu diskutieren.
Kunst, die mehr sein will, als nur Behübschung von Bankfoyers oder Chefetagen, sollte nicht davor zurückschrecken, brennende gesellschaftliche Themen mit den ihr eigenen ästhetischen Mitteln abzuhandeln und sich auch der Kritik zu stellen. Etwa durch die Positionierung im öffentlichen Raum, der dadurch als demokratiepolitische Debattenzone im Sinne der griechischen Agora wiederbelebt wird. Türkische Medien haben bereits massiv auf „Turkish Delight“ reagiert und sich mit der Aufstellung von „Turkish Delight“ am Karlsplatz kontroversiell auseinandergesetzt.
Nun ist das Werk bereits zum zweiten Mal attackiert und diesmal massiv beschädigt worden. Da ein weiterer Vandalenakt weder ausgeschlossen noch verhindert werden kann, hat sich die Kunsthalle, die auch dem Schutz der Kunstwerke verpflichtet ist, gemeinsam mit dem Künstler Olaf Metzel entschlossen, die Skulptur vorerst nicht wieder aufzustellen. Offenbar gibt es in unserer Gesellschaft radikale Gruppen, die nicht die demokratiepolitische Reife besitzen, um ein Kunstwerk als unterschiedlich lesbare, symbolische Manifestation zu begreifen und nur mit Gewalt und Zerstörung reagieren können.
Hiezu der Künstler Olaf Metzel: „Es stellt sich die Frage, wo enden Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst. Natürlich respektiere ich andere weltanschauliche Meinungen und bin auch jeder Zeit zur Diskussion bereit. Aber auf der Basis des sachlichen Dialogs. Ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich zu tun oder zu lassen habe. Wir leben in einem Kulturkreis, in dem wir uns Bilder machen dürfen.
Es wäre bedauerlich, wenn durch den Akt des Vandalismus denjenigen, die die Skulptur noch nicht gesehen haben, die Möglichkeit genommen wird, sich mit „Turkish Delight“ zu beschäftigen. Auf ihre ruhige Art ist die Aussage der Figur sehr präzise. Sie spricht das Thema der Integration und der Identität gleichermaßen an. Sie irritiert und das genügt.“
Dr. Gerald Matt, Direktor der Kunsthalle: „Physische Gewalt gegen Kunstwerke ist nichts anderes als physische Gewalt gegen Ideen. Nicht das Kunstwerk ist der Skandal, sondern jene zerstörerischen Aktionen von Menschen, die verhindern wollen, das Künstler zur Wort kommen. Dieser Vandalenakt ist nicht das Ende der Debatte, sondern erst ihr Anfang.“
Die Kunsthalle Wien wird die Debatte um Rechte der Frauen zwischen Verbot und Kommerzialisierung, zwischen Verschleierung und Enthüllung und damit letztlich die Diskussion um Fundamentalismus, Liberalität und das prekäre Verhältnis von Orient und Okzident intensiv fortführen. So wird in den nächsten Wochen um die Skulptur „Turkish Delight“ ein breit angelegter Diskurs mit Gesprächen und Symposien stattfinden, um das Thema kultur- und gesellschaftspolitisch aufzuarbeiten.
Im Jänner wird die Ausstellung „MAHREM – Die Kunst der Verschleierung“ gezeigt (24. Jänner – 16. März 2008), die bereits in der Türkei bei der Istanbul-Biennale zu sehen war. Eine bereits geplante Podiumsdiskussion, die Teil eines umfangreichen Diskussionsprogramms sein wird, findet zur Eröffnung am 23. Jänner statt. Weiters zum Thema im project space: die slideshow von Gilbert Hage: ‘The Secret Life of Syrian Lingerie: Intimacy and Design’.
Die Skulptur von Olaf Metzel ist nach Pascale Tayou und Julius Popp die dritte Skulptur, die von der Kunsthalle Wien, am public space Karlsplatz gezeigt wird.