Von hinten ist der Titel einer Fotografie von Timotheus Tomicek, die einen füllig barocken Puttohintern lasziv ins Bild setzt. Wäre der Fokus nicht so sehr auf den Allerwertesten des Sujets gerichtet, könnte dies ein typisches Motiv einer touristischen Sehenswürdigkeit sein. Ähnlich Souvenir de Paris, einer hochformatigen Ansicht des Pariser Eiffelturms, um den sich perspektivisch geschickt in Szene gesetzt, ein Nadelbaum rankt. Der Eiffelturm gehört wohl zu den meist fotografierten europäischen Wahrzeichen und verdankt seine Berühmtheit auch seiner massenweisen Reproduktion. Doch was interessiert den jungen, in Wien lebenden Künstler und Vielreisenden Timotheus Tomicek an diesen inflationär festgehaltenen Motiven, welchen ein unangenehmer Beigeschmack an Erinnerungsfotografie aus dem Privatalbum anhaftet?
Timotheus Tomicek geht es in seiner Arbeit, welche immer wieder ein Interesse an der Installation bekundet, um ein Porträtieren des Gewöhnlichen und um einen unaufgeregten Umgang mit der Fotografie, in der es trotzdem um alles gehen soll. Seine gleichermaßen bescheidene und bilddemokratische Herangehensweise entspricht einem Down-tuning des Mediums im Angesicht von zeittypischen Spektakel- und Neuigkeitswerten. Tomiceks Fotos zeigen häufig Banales wie ein benutztes Wattestäbchen und Alltägliches wie Spaghetti Bolognese: „Es müssen immer Objekte sein, die jedem vertraut sind“, so Tomicek. Und es geht dem 1978 in Wien geborenen Künstler, der Fotografie und Film an der Filmakademie studierte, auch um neue Blickwinkel, um Abweichungen vom etablierten Kanon und vor allem um eine spezifische Zusammenstellung der einzelnen Bilder im Ausstellungssetting. Die Ideen zu seiner intuitiven und gleichzeitig konzeptuellen Kunst hat er in einer Art Manifest mit dem Titel Kombinismus festgehalten. Timotheus Tomicek, dessen Vorliebe für Stillleben recht evident ist, begreift seine fotografische Arbeit nicht nur unter dem Aspekt der Abbildungsästhetik, sondern als sich im Raum entfaltendes Mach-werk, in dem die einzelnen Teile miteinander kommunizieren. Die Grundbedingungen der Präsentation wie Display, Rahmen und Größe sind integraler Bestandteil der vorgelagerten künstlerischen Entscheidungen: „Der Rahmen ist genauso wichtig wie das, was vom Rahmen gefasst wird.“ Ähnlichkeit und Spannung sowie Gleichklang und Konfrontation zwischen den Bildern sowie die Beziehung der Dinge zueinander bestimmen den künstlerischen Balanceakt und können im Idealfall einen ganzen Raum in ein Kunstgebilde verwandeln. Wenn sich wie bei einem Fahrradschloss oder einem Tresor durch die Kombination der Bilder nichts auftut, stimme diese eben nicht, meinte er einmal.
Timotheus Tomicek konterkariert bewusst den Habitus einer bestimmten Richtung der Fotografie, der um das Wahre und Authentische sowie den neutralen Blick durch das OBJEKTIV kreist. Seine Haltung betont, dass das, was er macht, auch gemacht ist. Die Arbeiten sind stark inszeniert und ihr Inhalt lässt sich schwerlich auf fixe Bedeutungen festschreiben. Tomicek initiiert in der Wahl seiner Motive, in der Art zu Fotografieren und zu Präsentieren ein unentwegtes Spiel der Zeichen – im Aufeinandertreffen der Teile setzt er Assoziationskräfte frei. In den auf Screen gezeigten Arbeiten just selfcontrol oder play it again kulminiert sein Interesse an subtilen Bewegungen und an der „Entbergung“ des Lebens, das die Dinge in sich tragen.
Kuratorin: Angela Stief
photo wall eine Programmreihe der Kunsthalle Wien in Kooperation mit Café Halle