Die drei Figuren, die hier in ihren Kostümen vor Ihnen stehen, was stellen sie dar? Eine Trilogie, ein Dreiecksverhältnis oder eine Versammlung derer, die fressen und derer, die gefressen werden? Ihre Geschichte ist dramatisch, theatralisch sogar, als sie in Bolivien aufeinander trafen. Eine, zwei, drei Figuren, ja, aber nur zwei Wesen, Geister, oder was sie eben sind: der Teufel und der Onkel, oder der Tío, wie er in jenen Reichen genannt wird, die seine Domäne sind in der riesigen, durch all die Minen der Anden gebildeten Unterwelt. In dieser unterirdischen Welt war er überall, doch brauchten, wie er sagte, die dort lebenden und arbeitenden Minenarbeiter dieses Überall, um irgendwo zu sein, und schufen daher Kultbilder von ihm.
Der Teufel sollte keiner Vorstellung bedürfen, wenn er von Leuten totgesagt wird, die er selbst als Aufklärungs-Propagandisten bezeichnet – er ist ein Identitätsdieb, ein Formenwandler, voll des Lebens und bei bester Gesundheit, was sich, wie er sagt, am derzeitigen Zustand der Welt erkennen lässt. Er schätzt den Witz, und sein Ziel wie auch sein Vergnügen ist es, Zwietracht zu säen, Ärger und Unheil zu verbreiten, wo immer er kann. Da ist er nicht der Einzige. Manchmal beschleicht ihn das quälende Gefühl, dass er in dieser allzu säkularen Welt zu wenig verehrt und gefeiert wird, dann aber ist er sich auch wieder gewiss, dass sich dies wieder ändern und dass er gebraucht wird.
Vor nicht allzu langer Zeit beschloss er, sich auf eine Reise in die Koka-Anbaugebiete Boliviens zu begeben – in ein Bolivien, das seiner Meinung nach seit mindestens einem Jahrzehnt viel zu friedlich, für seine Bevölkerung zunehmend angenehmer geraten ist, ein Bolivien auch, an dem er beträchtliche finanzielle Interessen hatte. Für diese Geschäftsreise nahm er die Persona des Doktor Sigmund Freud an, allein schon, um den Geist dieses Herren zu ärgern. Er konnte einfach nicht anders, sagte er, war Freud doch ein so enger Anhänger der Aufklärung und dazu auch noch einer, der sein Leben damit verbrachte, es reparieren zu wollen: Neurosen könnten geheilt werden. Er konnte auch deshalb nicht anders, weil Freud in seinen frühen Jahren ein Propagandist und bezahlter Agent für Kokain war. Um den Witz zu verdreifachen, fertigte er sich, den Kastrationskomplex vor Augen, einen Morgenrock aus einem mit Vulven bedruckten Stoff an, der mit Zinn-Piranhas gesäumt war. Eingewickelt in zähnestarrende Mösen, um in sein Unterbewusstsein einzutreten? Lässt sich das noch übertreffen?!
Bei den beiden anderen Figuren wurde der Anzug, den Sie sehen, für den Tío aus einem Stoff mit Penissen angefertigt. Zusammen mit einem regelmäßigen Nachschub an Kokablättern, brennenden Zigaretten, Schnaps und Girlanden, war dies ein Geschenk der Minenarbeiter. Finden Sie, das sei zu symmetrisch, zu ordentlich – Vaginas auf dem einen Stoff, Penisse auf dem anderen? Nun, ich kann Ihnen versichern, als sie entworfen wurden, interessierten sich weder der Teufel noch der Tío für die Existenz des jeweils anderen.
Zum dritten Kostüm werde ich zu diesem Zeitpunkt keinen Kommentar abgeben, außer zu wiederholen, dass der Teufel sich regelmäßig buntgewürfelter Charaktere bedient, wenn und wann immer sie seinen persönlichen Interessen wie auch dem Interesse des Säens von Zwietracht entgegenkommen.
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Der Penisanzug hing auf einem Kleiderständer in jenem Minenschacht, in dem der Tío auf einem Felsvorsprung stand – als eine Gabe der Minenarbeiter, bereitgestellt für den Fall, dass er gebraucht wird, so, als erwarteten sie, dass eine solche Zeit kommen würde. Die Minen gehörten ihm, alle, doch zu dieser Zeit konzentrierte er sich auf Potosí, jenes Bergwerk, in dem er leicht all seine Kraft hätte verlieren können in den Hunderten von Jahren, als die Spanier kamen und Silber abbauten. Tag und Nacht. Rund um die Uhr. Er hatte gehört, dass das Silber die Welt verändert hat, und dies nicht zum Guten, wie es auch hätte kommen müssen, wäre das Silber ohne seine Erlaubnis weggenommen worden. Seine Kraft aber, nein, die hat er nicht verloren.
Oh, er hat sehr viel gehört, die Pickel, das Dynamit und die Risse in der Erde, in der geologisch-politischen Welt, er hat sie seit Jahrhunderten gehört, Risse, Reparaturen und Sprengungen, … ein Flüstern in den Spalten, das jüngst sich zum Chorgesang eines einzigen Wortes steigerte: Lithium, Lithium. Die Welt will Lithium, braucht Lithium für ihre Scheinwerfer, ihre Laster, ihre Mobiltelefone, für ihr eigenes Geflüster. Bislang ruhte das Lithium fast unberührt im feuchten Untergrund seines Herrschaftsgebiets, doch nun sah er sein künftiges Leben vor sich: seiner Präsenz würde übel zugesetzt, sein Umfeld ausgesaugt werden von Maschinen, die zum Aussaugen geschaffen worden sind. Hypersauger, rund um die Uhr am Werk.
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Den Gottlosen wird keine ruhige Minute gewährt, kaum war er aus dem verdammten Bus gestiegen, rief Pablos Kumpel aus Medellíns goldenen Tagen an: Es gibt ein Problem mit den Minenarbeitern, die sich darüber beschweren, dass zu viel Koka exportiert wird, ein Streik steht bevor, ein kleines Ärgernis nur, aber kann er sich bitte in Potosí darum kümmern? Der Geheimdienst sagt, dass sie dort irgendeinen Popanz verehren, der Scheißkerl nennt sich selbst Onkel, der Tío. Er glaubt, ihm gehören die Minen. Er gibt dort den Ton an, sagte der Kumpel. Ein kleines Ärgernis nur, aber genau das Richtige für Doktor Sigmund, runter in die Mine und hinein ins Unterbewusstsein, und was den Tío betrifft, werde er sich mit des guten Doktors Totem und Tabu bewaffnen.
In seinen Muschi-Anzug gekleidet machte er sich über den öden Felsgrund auf den Weg zum Mineneingang. Auf dem Weg nach unten hielt er an, als sich ein höhlenartiger Raum öffnete. Das Totem stand auf einem Felsvorsprung, ein entstelltes Ding mit einer kalten Zigarette im Mund und einem grotesk großen Phallus. Alles eher absehbar. „Was für ein hässlicher Kümmerling du bist“, sagte er. „Nicht einmal als Totem hast du Bedeutung, echt Amigo, du zählst nicht. Streiks? Minenarbeiterrechte? Das sehe ich nicht so.“ – Es kam keine Antwort, natürlich kam keine Antwort, das Ding war eine Sache für leichtgläubige Menschen, nicht mehr und nicht weniger. Dennoch nahm er gereizt durch das Schweigen einen Stein und warf ihn auf das Götzenbild. Zielsicher traf er den Phallus, der ab- und auf den Boden fiel. Er lachte laut auf, „eine handfeste Kastration!“, rief er. Im gleichen Augenblick erfüllte der Klang der Risse und Spalten die Höhle, während der Tío aus seinem statuenhaften Arrest ausbrach.
„Du!“, rief die Figur und dann sah man, dass er einen Phallus-Anzug trug, so, als wäre Doktor Freud erwartet worden – ein unwillkommener Gedanke, doch es war keine Zeit, diesen zu verfolgen, die Tío-Figur hatte den abgetrennten Penis aufgehoben und schwang ihn in gewalttätiger Absicht. Freud würde sich nicht einschüchtern lassen. Ah, die Auferstehung, höhnte er, was für ein Klischee!
„Wer gab dir die Erlaubnis, meine Welt zu betreten?“, brüllte der Tío so laut, dass fast die Felsen erbebten. „Brauche ich deine Genehmigung?“, schrie Freud zurück, „du Neurotiker, du Persönlichkeitsstörung, du Hysteriker!“ Die Gestalt trat weiter hervor, die Stimme zum Donner erhoben: „Ich kenne dein Spiel, du Schreckgespenst der Missionare, geh zurück, wo du herkommst, ohne sie und ihre Bibel bist du nichts. Du kommst hierher, um das Koka zu stehlen und stiehlst mein Lithium.“