Filmprogramm im Österreichischen Filmmuseum von 26. Mai bis 30. Juni
Von 26. bis 30. Mai in Anwesenheit von Ulrike Ottinger
Im Rahmen der Ausstellung Widerständige Musen. Delphine Seyrig und die feministischen Videokollektive im Frankreich der 1970er- und 1980er-Jahre
In den 1970er- und 1980er-Jahren bot die Arbeit mit Regisseurinnen wie Ulrike Ottinger für Delphine Seyrig die Möglichkeit, ihre Arbeit als Schauspielerin im Lichte ihres zunehmenden feministischen Bewusstseins neu zu denken und sich in die Komplexität der Erfahrungen von Frauen zu vertiefen. Die Rollen hinterfragen dabei die Passivität, in welcher der weibliche Star üblicherweise gefangen ist.
An jeweils zwei Terminen zeigt das Österreichische Filmmuseum folgende Filme mit Delphine Seyrig:
30/5 & 17/6 2022
Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse
2/6 & 17/6 2022
Johanna D’Arc of Mongolia
26/5 & 16/6 2022
Freak Orlando
Willkommen im revolutionären Kosmos der Ulrike Ottinger! Zum 80. Geburtstag der Kinopionierin, Allroundkünstlerin und Weltreisenden zeigt das Filmmuseum ihr filmisches Gesamtwerk: Sie werden sehen, was Sie so noch nie gesehen haben. Ottingers Filme sind Autor*innenkino so sehr, wie sie Avantgarde sind, Konformität mit jeglichem Mainstream lehnt sie ab. Ihre Filme lassen sich auf zwei Tendenzen hin beschreiben: eine stark auf Kunstfertigkeit und Exzentrik angelegte fiktionale sowie eine auf die Kraft von Fotografie und Montage setzende dokumentarische, ethnografische. In beiden artikuliert sich ein feiner Sinn für das Märchen- und Zauberhafte, für die kunstvolle Fabriziertheit des Alltags, seine Betörungen.
Ottingers Filme sind von hoher Anziehungskraft, sind Kino der Attraktion. Hier überwiegt das Staunen, die visuelle Neugier. Aus ihrem Werk spricht ein großer Durst nach Welt und danach, was eine*n darin weiterbringen kann: Transformation nämlich, wie sie es bereits in ihrer ersten Arbeit Laokoon und Söhne (1975), einer fantasievollen Gegenkunstwelt, nahelegt. Die Metamorphose als Weg zu einem neuen Empfinden beginnt bei der Wahrnehmung und dem, was wir als Realität begreifen – für Ottinger etwas, das sich erweitern lässt. Die Betörung der blauen Matrosen (1975) führt diese Extension weiter, erschließt neue poetische Welten mit dem Verfahren der Collage: Film als Konglomerat aus Malerei, Fotografie, Tanz, Musik, Architektur, Literatur, Choreografie, Rhythmus, Komposition, Licht- und Farbdramaturgie. Die Psychologisierung überlässt sie bereits in Madame X – Eine absolute Herrscherin (1977) einer Fachfrau, um sich der Oberfläche zuzuwenden. Mit der berühmten Berlin Trilogie – Bildnis einer Trinkerin (1979), Freak Orlando (1981) und Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse (1984) – zelebriert sie deren Vielschichtigkeit in Form eines kunstvollen Kaleidoskops voller Kuriositäten, Wunder und Seltsamkeiten, die sie der Wirklichkeit des Alltags sämtlicher Jahrhunderte entnimmt und vor den Industrielandschaften Berlins neu zusammenbaut.
Ottingers Arbeiten sind enorm dicht, alle Objekte, Materialitäten, Kostüme, Figuren(-namen) sind kulturell aufgeladen. Die Filmemacherin vereint Stilelemente aus unterschiedlichsten Genres und Kunstrichtungen (Surrealismus, Dadaismus und Pop Art insbesondere), macht das Historische im Gegenwärtigen sichtbar und gibt weiten Raum für Imagination. Fernab identitätspolitischer Vereinfachungen werden Queerness und Sexualität, wie Kunst selbst, als schöpferische Kraft und als Potenzial einer ästhetischen Befreiung aus ideologischen Verhärtungen erfahrbar.
Auch in der Ferne sucht Ottinger das Andere, das sie von den vermeintlichen Rändern her betrachtet. Vermeintlich insofern, als sie die „Exotik als Frage des Standpunkts“ begreift. In einem Heute der Grenzschließungen, der Renationalisierung, politisch und medial ernüchternd, finden wir in Ottingers Kino etwas, das der Welt gerade vollends abhanden gekommen scheint: eine Atmosphäre und Stimmung des Aufbruchs und der Veränderung, motiviert durch Begegnung, gebannt in der lustvollen Auseinandersetzung mit Grenzen und den Bewegungen, die ihre Auflösung ermöglicht.
Die Filme sind Resultate und zugleich Ausstellungen von Sammlungsprozessen. Die Qualitäten von Museum, Sammlung und des Archivarischen sowie die Erfahrung der positiven Überwältigung, die sie damit verbindet, sind bedeutungsvoll: In ihnen findet sie ein Reservoir für die Wieder- und Neuentdeckung filmischer Bildsprachen.