Warum sind in Wien so wenige Straßen nach Frauen benannt oder wieso werden momentan vielerorts Denkmäler von ihren Sockeln gerissen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich unsere Mitmach-Ausstellung Space for Kids. Denk(dir)mal (1/10 – 8/11 2020) in der Kunsthalle Wien Karlsplatz.
Beim Recherchieren für die Ausstellung sind wir auf viele tolle Bücher gestoßen – und deshalb wollen wir Euch hier ein paar Lesetipps geben:
Buchtipp 4:
Maria Isabel Sánchez Vegara: Little People, Big Dreams. Hannah Arendt, illustriert von Sophia Martineck, Insel Verlag, 2019
Little People, Big Dreams heißt eine großartig illustrierte Reihe des Insel Verlags, die von starken und inspirierenden Persönlichkeiten erzählt. Die beeindruckenden Lebensgeschichten, die zugänglich und fesselnd erzählt sind, machen Mut, den eigenen Weg zu gehen und seine Träume nicht zu verraten.
Unser heutiger Lesetipp stellt Hannah Arendt vor. Sie war eine Philosophin, eine Denkerin, also eine sehr kluge Frau. Sie lebte in Deutschland und war Jüdin. Sie wurde deshalb auch verfolgt und von den Nationalsozialisten 1933 für einige Tage verhaftet. Sie konnte aber in die USA fliehen und weiter wichtige Bücher schreiben. Sie hat auch an verschiedenen Unis politische Theorie gelehrt und „über Menschen und Macht immer neu nachgedacht“, wie in dem schön illustrierten Buch heißt.
Und vielleicht weißt du ja, dass es tatsächlich schon ein Straßenschild in Wien gibt, das den Namen Hannah Arendt trägt. Du findest den Hannah-Arendt-Park, der auch Hannah-Arendt-Platz heißt, im 22. Bezirk, im neuen Stadtteil Seestadt. Ein kleiner Ausflug dorthin mit der U-Bahn wird dir zeigen, dass es auffallend viele Straßen mit Frauennamen dort gibt. So musst du nicht viele Kilometer laufen, um einen einzigen zu finden – wie das in vielen anderen Bezirken Wiens der Fall wäre.
Buchtipp 3:
María Isabel Sánchez Vegara: Little People, Big Dreams. Alan Turing, illustriert von Ashling Lindsay, Insel Verlag, 2020
In diesem Lesetipp stellen wir euch Alan Turing vor. Er war ein englischer Mathematiker und Computerpionier. Alan kam in seiner Studienzeit in den frühen 1930er-Jahren auf die Idee, eine Maschine zu bauen, die jede mögliche Rechenaufgabe lösen kann. Aufgrund seines jungen Alters glaubte zuerst aber niemand an seine Erfindung. Als aber das nationalsozialistische Deutschland im 2. Weltkrieg England den Krieg erklärte, versammelte die britische Regierung die klügsten Köpfe des Landes, um bei der Verteidigung zu helfen. Einer von ihnen war Alan Turing.
Damals verwendeten die Deutschen eine äußerst komplizierte Geheimsprache für ihre militärischen Funksprüche, die man zwar abhören konnte, aber niemand verstand ihre Bedeutung, denn sie waren in mathematischen Formeln verfasst. Alan war klar, dass hier nur seine Erfindung helfen konnte und so setzte er durch, dass seine Rechenmaschine schließlich doch gebaut wurde. Sie war ein voller Erfolg – denn dank dieser Maschine konnte das britische Militär vorhersehen, wenn etwa ein deutscher Angriff bevorstand und ihn so zurückdrängen. Dadurch wurde vielen Menschen das Leben gerettet.
Alan wurde dennoch nicht als Held gefeiert, im Gegenteil, man hielt seine Erfindung sogar geheim. Denn er war schwul, was damals in England verboten war, und er wurde sogar gezwungen, Medikamente dagegen zu nehmen, von denen er sehr traurig und niedergeschlagen wurde. Erst fünfzig Jahre nach seinem Tod hat sich die britische Regierung für diese schreckliche Ungerechtigkeit entschuldigt.
Alans Rechenmaschine ist ein Vorläufer unseres heutigen Computers – und sein Erfinder hat damit auch die Grundlage für die Entwicklung Künstlicher Intelligenz geschaffen, also jene Fähigkeit, die es Computern erlaubt, komplizierte Aufgaben selbstständig zu lösen, etwas, das heutzutage zentral für die Funktion jedes Smartphones ist. Nach Alan Turing ist auch der „Turing-Test“ benannt: Das ist ein Test für Computer, der nur dann bestanden wird, wenn ein*e Wissenschaftler*in nicht mehr unterscheiden kann, ob er/sie mit einer Maschine oder einem Menschen kommuniziert. Bisher hat diesen Test noch kein Computer bestanden. Forscher sind sich aber sicher, dass es nur mehr eine Frage der Zeit ist, bis dies der Fall sein wird.
Buchtipp 2:
Lisbeth Kaiser: Little People, Big Dreams. Rosa Parks, illustriert von Marta Antelo, Insel Verlag, 2019
Unser nächster Lesetipp stellt Rosa Parks vor: Sie war eine Aktivistin für Bürgerrechte in den USA und wuchs im Bundesstaat Alabama auf, als dort noch die Rassentrennung herrschte. In den USA gab es lange Zeit Gesetze, die es Schwarzen beispielsweise verboten, die gleichen Toiletten zu benutzen, auf den gleichen Plätzen im Bus zu sitzen oder die gleichen Kinovorstellungen zu besuchen wie Weiße. Erst nach langen und heftigen Protesten durch die Bürgerrechtsbewegung wurde die Rassentrennung verboten.
Rosa hat einen wichtigen Beitrag dazu geleistet: Ihre Weigerung, 1955 ihren Sitzplatz im Bus für einen weißen Mann zu räumen, führte schließlich zur Gleichbehandlung von Schwarzen und Weißen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie setzte sich ihr Leben lang für Gleichberechtigung in Schulen, bei der Arbeit, beim Wohnen und für Frauenrechte ein und bekam dafür viele Auszeichnungen.
Buchtipp 1:
Elena Favilli: Good Night Stories For Rebel Girls – 100 Migrantinnen, die die Welt verändern, Hanser Verlag, 2020
In diesem Buch findet ihr einhundert Geschichten über unglaubliche, starke Frauen – die Autorin nennt sie „Rebel Girls“ – die die Welt verbessern wollen: für sich selbst und die Menschen um sie herum, ganz egal, wie groß die Risiken sind. Alle diese Frauen haben aus vielfältigen Gründen ihr Geburtsland verlassen und sind in ein anderes Land gezogen.
Zu Beispiel die Bildhauerin Edmonia Lewis: Sie wurde 1844 in New York als Tochter eines afro-haitianischen Vaters und einer Mutter, die aus einem Volk der Mississauga Ojibwe stammte, geboren. Während ihres Studiums erlebte sie schlimmen Rassismus und wurde fälschlicherweise sogar wegen Mordes angeklagt. Edmonia war die erste US-Amerikanerin mit dunkler Hautfarbe, die professionell als Bildhauerin arbeitete und erweckte dadurch auch die Aufmerksamkeit der Abolitionist*innen – das sind Menschen, die sich für die Abschaffung von Sklaverei und Rassentrennung einsetzten. Edmonias größter Traum war es aber, an einem Ort zu leben, an dem ihre Fähigkeiten mehr Beachtung finden als ihre Hautfarbe. So zog sie 1865 nach Rom, wo sie sich einer Gemeinschaft von Künstler*innen anschloss.
Zu Ehren des 100. Geburtstags der USA schuf sie 1876 eine Skulptur von Kleopatra. Unglücklicherweise haben die meisten ihrer Kunstwerke nicht überlebt. Auch diese Skulptur war ein Jahrhundert verschwunden, bis sie übermalt in einem Einkaufszentrum in Chicago wiedergefunden wurde. Inzwischen hat ihre Skulptur einen Platz im Smithsonian American Art Museum in Washington, DC bekommen.