No Feeling Is Final. The Skopje Solidarity Collection

Eine Kooperation mit dem Museum für Zeitgenössische Kunst (MoCA) Skopje, Nordmazedonien

Künstler*innen: Brook Andrew • Yane Calovski & Hristina Ivanoska • Siniša Ilić • Iman Issa • Gülsün Karamustafa • Barbi Marković • Elfie Semotan

Mit Künstler*innen der Sammlung wie: Pierre Alechinsky • Getulio Alviani • Dimitar Avramovski Pandilov • Enrico Baj • Georg Baselitz • Anna-Eva Bergman • Maria Bonomi • Alberto Burri • Zofia Butrymowicz • Alexander Calder • Luis Camnitzer • Christo and Jeanne-Claude • Bronisław Chromy • Peter Clarke • Božidar Damjanovski • Josip Demirović Devj • Josip Diminić • Slobodan Filovski • Michel Gérard • Ion Grigorescu • Sheila Hicks • David Hockney • Alfred Hrdlicka • Bogoljub Ivković • Olga Jančić • Olga Jevrić • Jasper Johns • Alex Katz • Zoltán Kemény • Rudolf Krivoš • Boško Kućanski • Wifredo Lam • Sol LeWitt • Oto Logo • Petar Lubarda • Nikola Martinoski • Roberto Matta • Zoran Mušič • Meret Oppenheim • Olga Peczenko-Srzednicka • Dushan Perchinkov • Pablo Picasso • Bogoja Popovski • Joan Rabascall • Vjenceslav Richter • Bridget Riley • Ivan Sabolić • Niki de Saint Phalle • Francesco Somaini • François Stahly • Henryk Stażewski • Gligor Stefanov • Kumi Sugai • Aneta Svetieva • Beáta Széchy • Dimo Todorovski • Victor Vasarely • Vladimir Veličković • Тоmо Vladimirski • Marjan Vojska

 

Brook Andrew

Der Künstler und Kurator Brook Andrew widersetzt sich hegemonialen Machtstrukturen und den von ihnen erzwungenen Beschränkungen, um Raum für Indigene Daseins- und Wissenssysteme zu schaffen. Die von seiner Wiradjuri und keltischen Abstammung geprägte Forschungsarbeit und künstlerische Praxis zielen darauf ab, Formen der Verwandtschaft zwischen nicht-westlichen und westlichen Kulturen aufzubauen, denen eine intersektionale Auffassung von Indigenität gemein ist. Häufig besteht Andrews Arbeit aus Eingriffen in museale Displays und einer Neuinterpretation der Wirkmächtigkeit von Sammlungsobjekten. Hierbei spürt der Künstler Verbindungen zum Kolonialismus, zu kultureller Enteignung und Gewalt auf und stellt ihnen Indigene Praktiken entgegen, deren antikoloniale Kraft in der Lage ist, westliche Vorstellungen von Fortschritt und Linearität sowie den kunsthistorischen Kanon und die ihn untermauernden Institutionen in Frage zu stellen.

In Andrews Installation sind acht Werke aus der Sammlung des MoCA Skopje auf einem großformatigen, auffallend gemusterten aufblasbaren Objekt sowie einer Wandmalerei angeordnet. Das Muster ist von den Schnitztechniken der Wiradjuri inspiriert, wie sie etwa auf lebenden Bäumen und bei der Herstellung von Schilden zur Anwendung kommen. Ähnlich einer optischen Illusion ist das Muster spielerisch, es verweist aber auch auf unterschwellige Wahrheiten, wie etwa die vielen Identitätsverschiebungen, die nicht nur die modernistischen Arbeiten der Sammlung – westliche ebenso wie nicht-westliche – durchlaufen haben, sondern auch die Stadt Skopje selbst. Im sorgfältigen Arrangement der acht Sammlungswerke ist jenes von Pablo Picasso ganz oben platziert. Unter fünf von ihnen finden sich die Angaben von Jahreszahlen zwischen 1963 und 1968. Zusammen bilden sie eine Pfeilform und beschreiben eine Zeitperiode, in der diese Arbeiten Teil eines ganz bestimmten Wertesystems waren, das vor allem westliche männliche Künstler begünstigte – eben jene Künstler, die sich häufig nicht-westliche Kunstwerke und Designs aneigneten. Diese Idee kommt auch im Titel der Installation zum Ausdruck: mulunma wiling mangi gudhi. Diese Wörter aus der Wiradjuri-Sprache bedeuten übersetzt so viel wie „in der Lippe eines gestohlenen Liedes“ und verweisen auf den schmalen Grat zwischen Aneignung und Diebstahl.

Brook Andrews aufblasbare Strukturen machen sich die Methoden der Vergrößerung zunutze, um Geschichte zu rekontextualisieren und oft übersehene Themen überlebensgroß erscheinen zu lassen. Die Installation versöhnt auf räumlicher Ebene die zahlreichen Widersprüche im aufgeladenen modernistischen Diskurs, der der Gründung der Solidarity Collection des MoCA Skopje zugrunde lag. Sie zelebriert Räume, in denen solche Momente der Solidarität entstehen konnten, verdeutlicht aber auch ihre problematischen Aspekte und Nachwirkungen.

 

Yane Calovski & Hristina Ivanoska

Neben ihren Einzelprojekten arbeiten die Künstler*innen Yane Calovski und Hristina Ivanoska seit 2000 auch als Duo zusammen. Ihre gemeinsamen Arbeiten zeichnen sich durch den dynamischen Einsatz verschiedener Medien aus, von Performance, Installation, Text und Theorie bis hin zu Zeichnung, Skulptur und Wandgravur. In ihrer Praxis streben sie danach, übersehene Aspekte der Geschichte zu beleuchten, sei es durch das Ergründen vergangener Ereignisse oder durch das Nachstellen imaginärer Geschichte in der Gegenwart. Stets spielt das lokale Umfeld der Künstler*innen eine wichtige Rolle – auch im Versuch, ihren eigenen Arbeitsraum in einen neuen Kontext zu stellen und alternative Interpretationen und parallele Lesarten von etablierten Glaubensvorstellungen anzuregen. Die eher als Fragen denn als Antworten strukturierten Projekte ermöglichen es den Betrachtenden, die Bedeutungen der Werke selbst mitzugestalten.

In ihrer Rauminstallation mit dem Titel Alle Dinge fließen schlagen die Künstler*innen eine andere Sichtweise auf die Geschichte des MoCA Skopje vor. Im Jahr 1966 wurden 89 Architekturentwürfe für den Bau des neuen Museums eingereicht. Unter ihnen stach ein Projekt besonders hervor – jenes des polnischen Architekten Oskar Hansen, der für seine Theorie der Offenen Form bekannt war. Der Architekt konzipierte einen wandelbaren Ausstellungsraum, der vollständig zusammenfaltbar war und sich in verschiedenen Kombinationen entfalten konnte – mit sechseckigen Elementen, die von hydraulisch betriebenen, rotierenden Teleskopen angehoben werden. Oskar Hansen stellte sich vor, dass die ansonsten unterirdisch verborgene Galerie bei jeder Eröffnung einer neuen Ausstellung in die Höhe emporsteigt und sich dabei auffaltet.

Dieser ehrgeizige Vorschlag bildete die Vorlage für die motorisierte skulpturale Installation von Yane Calovski und das großformatige Wandbild von Hristina Ivanoska, das aus einer eigens entworfenen Typografie besteht. Die Buchstaben beziehen sich auf die Offene Form und stehen im Dialog mit den Werken zweier mazedonischer Künstler*innen aus der Sammlung des MoCA Skopje: dem Maler Dushan Perchinkov und der Bildhauerin Aneta Svetieva. Die beiden ausgewählten Künstler*innen scheinen auf den ersten Blick nicht recht zusammenzupassen. Doch beide bringen in ihren Arbeiten auf treffende Weise die Koexistenz lokaler künstlerischer Praktiken von den Anfängen des Museums bis heute auf den Punkt: Während sich Dushan Perchinkovs Bilder auf eine früh-modernistische Tradition abstrakter geometrischer Muster berufen, die außerhalb des westlichen Kanons der modernen Kunst stehen, vermitteln Aneta Svetievas roh belassene und ausdrucksstarke Terrakotta-Skulpturen ein fast anthropologisches Verständnis der Geschichte Skopjes.

Die Elemente der Installation rekonstruieren in ihrer Gesamtheit eine Landschaft, die immer wieder aufs Neue zerstört und wiedergeboren wurde. Durch die Kombination von Oskar Hansens Vision des Museums mit den beiden mazedonischen Künstler*innen aus der Sammlung verfassen Yane Calovski und Hristina Ivanoska ein neues Narrativ der lokalen Kunstgeschichte – eines, das sowohl einen anderen Blick auf die Geschichte des Museums erlaubt als auch eine Gegenwart voller Potenziale in den Raum stellt.

 

Siniša Ilić

Siniša Ilić ist ein bildender Künstler, der Arbeiten auf Papier mit Installation, Video und Performance verknüpft. Sein Werk dreht sich um verschiedene gesellschaftliche Konfliktbereiche, sei es in Bezug auf Nachhaltigkeit, kulturelles Erbe, Arbeitsbedingungen oder Migration, sowie um die Möglichkeiten, freundschaftliche Allianzen und Solidarität aufzubauen. Der Künstler nähert sich diesen Themen vielfach aus einer historischen Perspektive, wobei er das Verhältnis zwischen dem Globalen Süden und Norden, insbesondere im Hinblick auf gewalttätige Auseinandersetzungen hinterfragt. Ein Hauptaugenmerk in Siniša Ilićs Arbeiten gilt dem ehemaligen Jugoslawien, sowohl hinsichtlich seiner historischen Bedeutung als auch heutiger Konnotationen. Dabei versucht er zu ergründen, weshalb die Vergangenheit oftmals Wege findet, durch die Risse der Geschichte durchzusickern, und welche Möglichkeiten es gäbe, sie mit der Gegenwart zu versöhnen.

In seiner Rauminstallation mit dem Titel Filigran schlägt Siniša Ilić eine neue Lesart der Stadt Skopje vor. Seine Arbeit verbindet acht abstrakte skulpturale Objekte aus der Sammlung des MoCA Skopje mit eigenen Zeichnungen, Collagen und Bewegtbildmaterial, die er auf unterschiedlich hohen Podesten platziert. In dieser Szenografie wird dem Publikum ein ungewöhnlich nahes Erleben der Kunstwerke ermöglicht, da die Betrachtenden eingeladen sind, mit dem Raum zu interagieren und in nächster Nähe der Arbeiten Platz zu nehmen.

Die unregelmäßige Podestlandschaft spiegelt die Topografie der Stadt Skopje und die verschiedenen Blickwinkel wider, von denen aus wir über die Geschichte der Stadt und ihr außergewöhnliches Mäandern zwischen Erdbeben-Ruine und Moderne nachdenken können. Besonders hervorgehoben wird dies durch Dimo Todorovskis Skulptur Mutter und Kind – Skopje Tragödie (1963), die als einziges figuratives Werk in der Auswahl die drastischen Folgen des Erdbebens unmittelbar vor Augen führt.

Die zeitgenössischen Werke von Siniša Ilić beschreiben hingegen die völlig veränderte Gegenwart Skopjes – Choreografien von Bau und Abriss sowie das Wiederverwerten von Materialien, aber auch gegenwärtige Arbeitsbedingungen. Eine der Zeichnungen, die der Künstler aus dem Gedächtnis angefertigt hat, zeigt ein Fast-Food-Restaurant in Skopje. Sie lenkt unseren Blick auf eine Gemengelage von Wirtschaftskrise und Lethargie, die von einem anderen, eher symbolischen Erdbeben erzählt.

Die Arbeit Filigran – deren Titel sich auf eine Technik bezieht, bei der Gold- oder Silberdraht zu zarten Ornamenten verarbeitet wird – erinnert daran, auf welch zarte Weise die Fäden von Geschichte und Gegenwart miteinander verbunden sind und ein komplex gewebtes Muster bilden, das das Trauma der Vergangenheit und seine Resonanz im Heute sichtbar macht.

 

Iman Issa

Iman Issas Praxis zeichnet sich durch einen scharfen Blick auf die Macht des Displays im Bezug auf kulturelle und akademische Institutionen aus. Während sie häufig experimentell an ihre Arbeit herangeht und die Betrachtenden auffordert, ihre eigenen Erfahrungen und Erwartungen in das Projekt einzubringen, legt die Künstlerin Wert auf eine präzise und klare Bildsprache. Sie übersetzt ihr Interesse an Geschichte, Museen und Sammlungen in eine Methode, mit der es möglich wird, vorgefasste Meinungen hinsichtlich unseres Wissens und historischer Transparenz oder Genauigkeit zu destabilisieren. Ihre in neuen Kontexten und Kombinationen situierten Objekt-Text-Paarungen bieten alternative Erzählweisen und Vorstellungen von dem, was wir zu wissen glauben. Ob es nun um die Rolle von Kunsttexten wie in ihrer Lexicon [Lexikon]-Serie (2012–2019) oder das Verhältnis zwischen Künstler*in und Werk in Proxies, with a Life of Their Own [Stellvertreter*innen und ihr Eigenleben] (2019–) geht – Iman Issas Arbeiten sind stets nuancierte Betrachtungen von Bedeutungen, die sich unter der Oberfläche des Sichtbaren verbergen.

In einem Beitrag mit dem Titel I, the Artwork [Ich, das Kunstwerk] kombiniert Iman Issa ihre eigenen Arbeiten mit acht Kunstwerken aus der Sammlung des MoCA Skopje. Der gemeinsame Nenner in dieser Zusammenstellung aus Skulpturen und Druckgrafiken besteht darin, dass es sich durchwegs um Figuren handelt, von denen bei vielen die Gesichter nicht zu sehen sind. Die Auswahl wirft die Frage auf, ob die Künstler*in hinter dem Werk zurücktreten und ein Kunstwerk seinen eigenen institutionellen und künstlerischen Kontext bestimmen kann. Sorgfältig ausgewählt und arrangiert, verweben sich die Skulpturen, Fotografien und Videoarbeiten zu einer Art Remake, bei dem ursprüngliche Bezüge aufgehoben und neue hergestellt werden. Durch die Auflösung dieser Verknüpfungen können die Kunstwerke nicht mehr über die Biografien der Künstler*innen gelesen werden und regen stattdessen eine Vielzahl anderer Verstehensweisen an. Im Gegensatz zu den üblichen Hierarchien und Vorannahmen lädt I, the Artwork [Ich, das Kunstwerk] die Betrachtenden ein, sich auf einen spielerischen Denkprozess mit alternativen Deutungsmöglichkeiten und neuen Verbindungslinien einzulassen. Für Iman Issa ermöglicht dieser Prozess, „die Werke vor der Aneignung zu bewahren, indem die Aneignung sehr transparent gemacht wird“.

 

Gülsün Karamustafa

Gülsün Karamustafa ist eine bildende Künstlerin und Filmemacherin, die in ihrem Werk persönliche und historische Narrative mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen verwebt. Sie gilt, mit ihrer bereits über fünf Jahrzehnte währenden Laufbahn, heute als eine der wichtigsten türkischen Künstlerinnen der Gegenwart. In ihren Gemälden, Skulpturen und Filmen reflektiert sie häufig das politisch turbulente Umfeld ihrer Heimat Türkei, wie etwa in den Prison Paintings [Bilder aus dem Gefängnis] (1972–1978), einer Serie von Gemälden, die nach ihrer Inhaftierung als politische Gefangene entstanden, oder in The Monument and Child [Das Denkmal und Kind] (2010), einer Serie von Skulpturen, die die komplexe Bildsprache der modernen Türkei und ihrer Nationaldenkmäler erkunden. Dabei vereinen ihre Arbeiten vielfach Elemente historisch belegter Fakten mit persönlicher Erfahrung, etwa wenn sich kindliche Impressionen mit harter politischer Realität vermengen.

Unter dem Titel Crime Scene [Tatort] werden Gülsün Karamustafas Gemälde Window [Fenster] (1980) sowie die skulpturale Installation The Monument and Child [Das Denkmal und Kind] (2010), bestehend aus zehn Sockeln mit verspielten Keramikobjekten einer kleinen Sammlung von Werken aus dem MoCA Skopje gegenübergestellt. Jene zwei Skulpturen und neun Gemälde gelangten alle als private Schenkung der Familie Skalovski in die Sammlung des Museums. Die hauptsächlich von mazedonischen Künstler*innen stammenden Arbeiten spiegeln bis zu einem gewissen Grad die Ansichten und Ambitionen der Familie wider, die die Werke akribisch gesammelt hat. Es stellt sich daher die Frage, wie ein solcher Bestand in den größeren Kontext einer Museumssammlung eingeordnet werden kann und ob die Werke aus der Privatsammlung überhaupt herausgelöst werden sollten.

Diese Thematik wird auch in Gülsün Karamustafas Arbeiten deutlich, die – vor allem in Window [Fenster] – zu fragen scheinen, unter welchen spezifischen Bedingungen Solidarität möglich ist und wann nicht. Die Künstlerin antwortet, indem sie die Werke in ein imaginäres Familienzimmer stellt, komplett mit schmucker Tapete und einem Lehnstuhl. Die Werke aus der Skalovski-Sammlung und die Skulpturen sowie Gemälde von Gülsün Karamustafa formieren sich zu einer gemeinsamen Erzählung, aber während sich jede Arbeit bald als Teil eines Ganzen erweist, muss sie auch einzeln wahrgenommen werden. Mit einer Methode, wie man sie aus alten Kriminalfilmen kennt, zeichnet Gülsün Karamustafa die Konturen der Kunstwerke mit Klebeband, ähnlich den weißen Kreidelinien, nach – sie umreißt also deren komplexe Vergangenheit, stellt aber zugleich auch einen Zusammenhang zwischen ihnen in der Gegenwart her. Auf diese Weise öffnet die Künstlerin die Werke und deren komplexe Bezüge zueinander einer tiefergehenden Auseinandersetzung.

 

Elfie Semotan

Elfie Semotans über sechs Jahrzehnte währende künstlerische Praxis setzt sich aus Stillleben, Landschaftsbildern, Mode-Editorials und konzeptuellen Arbeiten zusammen. In der breiteren Öffentlichkeit ist sie vielleicht am besten für ihre Werbe- und Modefotografie bekannt. Charakteristisch für ihre fotografische Herangehensweise ist, unabhängig vom Genre, eine Überhöhung alltäglicher Beobachtungen – seien es Models mit zerrissenen Strumpfhosen, auf einem texanischen Baum hängende Plastikblumen samt Gartenschlauch oder eine unaufgeräumte Schlafecke im Atelier eines berühmten Künstlers. Alle Motive zeugen von ihrer Faszination für das Unspektakuläre. Elfie Semotans Szenen wirken meist ungezwungen, im Vordergrund stehen bestimmte Stimmungen und Authentizität; sie brechen mit traditionellen Settings und schöpfen ebenso aus dem Alltagsleben wie aus der Kunstgeschichte.

Anlässlich der Ausstellung No Feeling is Final hat Elfie Semotan den einzigartigen Charakter der komplexen und vielschichtigen Stadt Skopje in einer neu in Auftrag gegebenen Fotoserie festgehalten. Die Künstlerin betrachtet die urbane Landschaft als eigenwilligen Pastiche, der durch die zahlreichen Re- und Dekonstruktionen der Stadt in Folge der massiven menschengemachten und natürlichen Katastrophen im Laufe der Geschichte entstanden ist. Elfie Semotan richtet ihren scharfen und gleichzeitig liebevollen Blick aber auch auf die Details, Materialien und Texturen des alltäglichen Lebens und enthüllt die Poesie, die Sinnlichkeit und den Charme, die in all der Unordnung und dem Chaos, die ebenfalls zu Skopje gehören, zu finden sind.

Ihre Bilder porträtieren die kulturelle Vielfalt Skopjes – vom osmanischen Alten Basar über den modernistischen Wiederaufbau der Stadt nach dem Erdbeben von 1963 bis hin zum kruden Versuch, Skopje im Zuge des Projekts Skopje 14 als klassizistische Stadt wiederaufzubauen, die sie nie war. Besonderes Augenmerk gilt einer Reihe von ikonischen modernistischen Gebäuden wie jenes der Nationaloper und des Balletts, dem Bahnhof von Kenzō Tange, dem Museum der Republik Mazedonien von Mimoza Nesterova-Tomić, der ikonischen Schalterhalle des Telekommunikationszentrums (die 2013 einem ungeklärten Brand zum Opfer fiel) und natürlich dem MoCA Skopje.

Elfie Semotans einfühlsame fotografische Dokumentation ist eine ehrliche und authentische Darstellung der Stadt mit ihrer besonders schwierigen und komplexen politischen und architektonischen Vergangenheit, aber auch eine Hommage an die Schönheit und Vielfalt, die die städtebaulichen und kulturellen Kontexte der Stadt zu bieten haben, und nicht zuletzt an die außergewöhnliche Solidarity Collection des MoCA Skopje.