Brook Andrew
Der Künstler und Kurator Brook Andrew widersetzt sich hegemonialen Machtstrukturen und den von ihnen erzwungenen Beschränkungen, um Raum für Indigene Daseins- und Wissenssysteme zu schaffen. Die von seiner Wiradjuri und keltischen Abstammung geprägte Forschungsarbeit und künstlerische Praxis zielen darauf ab, Formen der Verwandtschaft zwischen nicht-westlichen und westlichen Kulturen aufzubauen, denen eine intersektionale Auffassung von Indigenität gemein ist. Häufig besteht Andrews Arbeit aus Eingriffen in museale Displays und einer Neuinterpretation der Wirkmächtigkeit von Sammlungsobjekten. Hierbei spürt der Künstler Verbindungen zum Kolonialismus, zu kultureller Enteignung und Gewalt auf und stellt ihnen Indigene Praktiken entgegen, deren antikoloniale Kraft in der Lage ist, westliche Vorstellungen von Fortschritt und Linearität sowie den kunsthistorischen Kanon und die ihn untermauernden Institutionen in Frage zu stellen.
In Andrews Installation sind acht Werke aus der Sammlung des MoCA Skopje auf einem großformatigen, auffallend gemusterten aufblasbaren Objekt sowie einer Wandmalerei angeordnet. Das Muster ist von den Schnitztechniken der Wiradjuri inspiriert, wie sie etwa auf lebenden Bäumen und bei der Herstellung von Schilden zur Anwendung kommen. Ähnlich einer optischen Illusion ist das Muster spielerisch, es verweist aber auch auf unterschwellige Wahrheiten, wie etwa die vielen Identitätsverschiebungen, die nicht nur die modernistischen Arbeiten der Sammlung – westliche ebenso wie nicht-westliche – durchlaufen haben, sondern auch die Stadt Skopje selbst. Im sorgfältigen Arrangement der acht Sammlungswerke ist jenes von Pablo Picasso ganz oben platziert. Unter fünf von ihnen finden sich die Angaben von Jahreszahlen zwischen 1963 und 1968. Zusammen bilden sie eine Pfeilform und beschreiben eine Zeitperiode, in der diese Arbeiten Teil eines ganz bestimmten Wertesystems waren, das vor allem westliche männliche Künstler begünstigte – eben jene Künstler, die sich häufig nicht-westliche Kunstwerke und Designs aneigneten. Diese Idee kommt auch im Titel der Installation zum Ausdruck: mulunma wiling mangi gudhi. Diese Wörter aus der Wiradjuri-Sprache bedeuten übersetzt so viel wie „in der Lippe eines gestohlenen Liedes“ und verweisen auf den schmalen Grat zwischen Aneignung und Diebstahl.
Brook Andrews aufblasbare Strukturen machen sich die Methoden der Vergrößerung zunutze, um Geschichte zu rekontextualisieren und oft übersehene Themen überlebensgroß erscheinen zu lassen. Die Installation versöhnt auf räumlicher Ebene die zahlreichen Widersprüche im aufgeladenen modernistischen Diskurs, der der Gründung der Solidarity Collection des MoCA Skopje zugrunde lag. Sie zelebriert Räume, in denen solche Momente der Solidarität entstehen konnten, verdeutlicht aber auch ihre problematischen Aspekte und Nachwirkungen.