Brook Andrew
Der Künstler und Kurator Brook Andrew (geboren 1970, lebt und arbeitet in Melbourne) widersetzt sich hegemonialen Machtstrukturen und den von ihnen erzwungenen Beschränkungen, um Raum für Indigene Daseins- und Wissenssysteme zu schaffen. Die von seiner Wiradjuri und keltischen Abstammung geprägte Forschungsarbeit und künstlerische Praxis zielen darauf ab, Formen der Verwandtschaft zwischen nicht-westlichen und westlichen Kulturen aufzubauen, denen eine intersektionale Auffassung von Indigenität gemein ist.
Häufig besteht Andrews Arbeit aus Eingriffen in museale Displays und einer Neuinterpretation der Wirkmächtigkeit von Sammlungsobjekten. Hierbei spürt der Künstler Verbindungen zum Kolonialismus, zu kultureller Enteignung und Gewalt auf und stellt ihnen Indigene Praktiken entgegen, deren antikoloniale Kraft in der Lage ist, westliche Vorstellungen von Fortschritt und Linearität sowie den kunsthistorischen Kanon und die ihn untermauernden Institutionen in Frage zu stellen.
In Brook Andrews Installation sind acht Werke aus der Sammlung des MoCA Skopje auf einem großformatigen, auffallend gemusterten aufblasbaren Objekt sowie einer Wandmalerei angeordnet. Das Muster ist von den Schnitztechniken der Wiradjuri inspiriert, wie sie etwa auf lebenden Bäumen und bei der Herstellung von Schilden zur Anwendung kommen. Ähnlich einer optischen Illusion ist das Muster spielerisch, es verweist aber auch auf unterschwellige Wahrheiten, wie etwa die vielen Identitätsverschiebungen, die nicht nur die modernistischen Arbeiten der Sammlung – westliche ebenso wie nicht-westliche – durchlaufen haben, sondern auch die Stadt Skopje selbst. Im sorgfältigen Arrangement der acht Sammlungswerke ist jenes von Pablo Picasso ganz oben platziert. Die Werke stammen aus den Jahren 1963 bis 1968, also aus der Zeit des verheerenden Erdbebens und des Wiederaufbaus in Skopje. Hier handelt es sich um eine Zeitperiode, in der diese Arbeiten Teil eines ganz bestimmten Wertesystems waren, das vor allem westliche männliche Künstler begünstigte – eben jene Künstler, die sich häufig nicht-westliche Kunstwerke und Designs aneigneten. Diese Idee kommt auch im Titel der Installation zum Ausdruck: mulunma wiling mangi gudhi. Diese Wörter aus der Wiradjuri-Sprache bedeuten übersetzt so viel wie „in der Lippe eines gestohlenen Liedes“ und verweisen auf den schmalen Grat zwischen Aneignung und Diebstahl.
Brook Andrews aufblasbare Strukturen machen sich die Methoden der Vergrößerung zunutze, um Geschichte zu rekontextualisieren und oft übersehene Themen überlebensgroß erscheinen zu lassen. Die Installation versöhnt auf räumlicher Ebene die zahlreichen Widersprüche im aufgeladenen modernistischen Diskurs, der der Gründung der Solidarity Collection des MoCA Skopje zugrunde lag. Sie zelebriert Räume, in denen solche Momente der Solidarität entstehen konnten, verdeutlicht aber auch ihre problematischen Aspekte und Nachwirkungen.
Interview mit Brook Andrew
1. Welchen Eindruck hattest du von Skopje und von der Solidarity Collection des MoCA Skopje? Was fandest du an der Sammlung interessant?
Skopje ist ein Ort der Gegensätze und der Schönheit. Die Stadt ist inspirierend – von den sichtbaren Folgen des Erdbebens, dem Gebetsruf und den Gesängen, die ich in der Mazedonisch-Orthodoxen Kirche im Erzbistum Ohrid erlebt habe, bis zur Warmherzigkeit der Menschen und zum eindrucksvollen Entwurf des MoCA Skopje. Ich habe es wirklich genossen, durch die Stadt zu streifen und die Vielfalt der Kulturen und Sprachen zu erkunden. Die Sammlung des Museums ist in vieler Hinsicht überwältigend – von der Geschichte der Sammlung bis zu der Art und Weise, wie diese Geschichte ihre Präsentationen beeinflusst hat. Es ist wichtig, dass die Sammlung ausgestellt wird und dass sie auch gezeigt wird, um einem breiten, an Kunst und Kultur interessierten Publikum in Skopje und aller Welt die lokalen Herangehens- und Ausdrucksweisen zu vermitteln.
2. Wie schaffst du eine Beziehung zwischen den Werken, die du aus der Sammlung ausgewählt hast, und deiner eigenen künstlerischen Praxis?
Die Werke haben keinen besonders engen Bezug zu meiner eigenen Praxis, auch wenn sie ausgesucht wurden, um eine Chronik der Hegemonie und des konstruierten Blicks auf das herzustellen, was damals populäre Kunstwerke und -richtungen waren und eine europäisch-amerikanische, vorwiegend männliche Kunstwelt widerspiegelte. Ich werfe ein Licht auf die Großzügigkeit der Künstler*innen, aber auch darauf, wie diese Großzügigkeit heute präsentiert wird. Es ist wichtig, dieses Ringen zwischen den Künstler*innen des ehemaligen Jugoslawiens und den europäisch-amerikanischen Künstler*innen aufzuzeigen, das ich in meiner Arbeit hervorgehoben habe. Der Titel meiner Arbeit, mulunma wiling mangi gudhi (inside the lip of a stolen song) [In der Lippe eines gestohlenen Liedes], versucht, diese komplexen Beziehungen zu unterstreichen. Der Titel ist in Wiradjuri, der Indigenen Sprache meiner Mutter aus Wiradjuri Country in Australien. Mein Indigenes Erbe hat immer Gemeinsamkeiten, Solidaritäten und komplexe Verbindungen mit ausländischen Orten gefunden.
3. Wie siehst du die Solidarität in der heutigen Kunstwelt? Denkst du, dass noch einmal etwas Ähnliches wie die Schenkungen für das MoCA Skopje entstehen könnte?
Solidarität ist für mich ein in vielerlei Hinsicht zersplittertes, personen-, community- oder verwandtschaftsspezifisches Bündnis. Ich glaube nicht, dass sie etwas Starres ist – sie verlagert und verändert sich, und wenn sie nicht formbar ist, wird sie zerbrechen, und dann werden Dinge und Menschen und die Solidarität kollabieren. Darum betone ich die komplexe Situation der internationalen Künstler*innen, die bedeutende Werke stiften, zugleich aber auch Teil des Problems der Kunstwelt sind. Aus Indigener Sicht versuchen wir immer noch, unsere eigenen Werte wie Solidarität einzubringen oder sie wenigstens in einem internationalen Kontext zu teilen. Dieses Projekt war inspirierend und erforderte ein sorgfältiges Nachdenken, weil es viele Balanceakte der Solidarität vollführt.