Yane Calovski & Hristina Ivanoska
Neben ihren Einzelprojekten arbeiten die Künstler*innen Yane Calovski und Hristina Ivanoska seit 2000 auch als Duo zusammen. Ihre gemeinsamen Arbeiten zeichnen sich durch den dynamischen Einsatz verschiedener Medien aus, von Performance, Installation, Text und Theorie bis hin zu Zeichnung, Skulptur und Wandgravur. In ihrer Praxis streben sie danach, übersehene Aspekte der Geschichte zu beleuchten, sei es durch das Ergründen vergangener Ereignisse oder durch das Nachstellen imaginärer Geschichte in der Gegenwart. Stets spielt das lokale Umfeld der Künstler*innen eine wichtige Rolle – auch im Versuch, ihren eigenen Arbeitsraum in einen neuen Kontext zu stellen und alternative Interpretationen und parallele Lesarten von etablierten Glaubensvorstellungen anzuregen. Die eher als Fragen denn als Antworten strukturierten Projekte ermöglichen es den Betrachtenden, die Bedeutungen der Werke selbst mitzugestalten.
In ihrer Rauminstallation mit dem Titel Alle Dinge fließen schlagen die Künstler*innen eine andere Sichtweise auf die Geschichte des MoCA Skopje vor. Im Jahr 1966 wurden 89 Architekturentwürfe für den Bau des neuen Museums eingereicht. Unter ihnen stach ein Projekt besonders hervor – jenes des polnischen Architekten Oskar Hansen, der für seine Theorie der Offenen Form bekannt war. Der Architekt konzipierte einen wandelbaren Ausstellungsraum, der vollständig zusammenfaltbar war und sich in verschiedenen Kombinationen entfalten konnte – mit sechseckigen Elementen, die von hydraulisch betriebenen, rotierenden Teleskopen angehoben werden. Oskar Hansen stellte sich vor, dass die ansonsten unterirdisch verborgene Galerie bei jeder Eröffnung einer neuen Ausstellung in die Höhe emporsteigt und sich dabei auffaltet.
Dieser ehrgeizige Vorschlag bildete die Vorlage für die motorisierte skulpturale Installation von Yane Calovski und das großformatige Wandbild von Hristina Ivanoska, das aus einer eigens entworfenen Typografie besteht. Die Buchstaben beziehen sich auf die Offene Form und stehen im Dialog mit den Werken zweier mazedonischer Künstler*innen aus der Sammlung des MoCA Skopje: dem Maler Dushan Perchinkov und der Bildhauerin Aneta Svetieva. Die beiden ausgewählten Künstler*innen scheinen auf den ersten Blick nicht recht zusammenzupassen. Doch beide bringen in ihren Arbeiten auf treffende Weise die Koexistenz lokaler künstlerischer Praktiken von den Anfängen des Museums bis heute auf den Punkt: Während sich Dushan Perchinkovs Bilder auf eine früh-modernistische Tradition abstrakter geometrischer Muster berufen, die außerhalb des westlichen Kanons der modernen Kunst stehen, vermitteln Aneta Svetievas roh belassene und ausdrucksstarke Terrakotta-Skulpturen ein fast anthropologisches Verständnis der Geschichte Skopjes.
Die Elemente der Installation rekonstruieren in ihrer Gesamtheit eine Landschaft, die immer wieder aufs Neue zerstört und wiedergeboren wurde. Durch die Kombination von Oskar Hansens Vision des Museums mit den beiden mazedonischen Künstler*innen aus der Sammlung verfassen Yane Calovski und Hristina Ivanoska ein neues Narrativ der lokalen Kunstgeschichte – eines, das sowohl einen anderen Blick auf die Geschichte des Museums erlaubt als auch eine Gegenwart voller Potenziale in den Raum stellt.