Zwischen 1977 und 1990 arbeitete Želimir Žilnik für diverse öffentliche jugoslawische TV-Sender und perfektionierte seine einzigartige Methode der Dokufiktion – und zugleich ein System, um mit radikal politischem Kino das größtmögliche Publikum zu erreichen. Das Filmmuseum zeigt eine Auswahl von sechs Filmen aus dieser Periode rauschhafter Kreativität in Kooperation mit der Kunsthalle Wien, in der die Ausstellung Želimir Žilnik. Shadow Citizens bis 18. April 2021 zu sehen war.
Filmprogramm
Bolest i ozdravljenje Bude Brakusa (Die Krankheit und Gesundung von Buda Brakus),
23/5 & 4/7 2021
Vera i Eržika (Vera und Eržika),
30/5 & 11/7 2021
Prvo tromesečje Pavla Hromiša (Das erste Trimester von Pavle Hromiš),
6/6 & 18/7 2021
Stanimir silazi u grad (Stanimir geht hinunter in die Stadt),
13/6 & 25/7 2021
Bruklin – Gusinje (Brooklyn – Gusinje),
20/6 & 1/8 2021
Stara mašina (Oldtimer),
27/6 & 8/8 2021
Mit einem Ticket für die Ausstellung Želimir Žilnik. Shadow Citizens oder für eine aktuelle Ausstellung der Kunsthalle Wien erhalten sie 1 € Ermäßigung im Filmmuseum.
Žilnik selbst beschreibt diese Zeit seines Schaffens wohl am besten:
„In den 1980ern zeigte Jugoslawiens öffentliches Fernsehen jede Woche einen neuen Spielfilm. Acht Regionalstudios produzierten 52 Filme im Jahr. Dabei war es egal, von welchem der acht Regionalstudios ein Film produziert wurde: Er wurde im gesamten jugoslawischen Gebiet gezeigt, mit Untertiteln in Slowenisch, Mazedonisch oder Albanisch, wo nötig. Für jeden dieser Filme war also ein Publikum von fünf bis sechs Millionen Zuseher*innen garantiert.
Die Fernsehsender stellten die komplette technische Ausrüstung zur Verfügung, inklusive Filmlabor, Tonstudio, Dekor und Kostümen. Für uns Filmemacher ging damit ein Traum in Erfüllung: Wir hatten eine Garantie für Produktion, Postproduktion und Vertrieb. Das einzige Problem, das ich lösen musste, war Folgendes: Wie weiterhin Filme über die Geschichten und Schicksale machen, die mich inspirieren, wenn ich weiß, dass diese Filme nun von Familien gesehen werden, die zusammensitzen – ein generationenumspannendes Publikum?
Die ersten paar Drehbücher, die ich bei den Sendern einreichte, wurden mir nach Monaten des Wartens mit Anweisungen, wie ich sie verbessern und korrigieren sollte, zurückgeschickt. Währenddessen drehte ich halbstündige Dokumentarfilme für die Doku-Redaktionen und fand dabei eine Lösung für meine Drehbuchprobleme. Bei meinen Recherchereisen entdeckte ich oft Männer und Frauen, die ihre Erfahrungen der Öffentlichkeit mitteilen wollten und die vor der Kamera eine gewisse Authentizität verströmten. Ich machte mit diesen Menschen ein paar Probeaufnahmen, die ich den TV-Produzenten zeigte. Daraufhin wurde mir eine Crew zur Verfügung gestellt, mit der ich zehn Tage lang eine ‚Dokumentation‘ drehen konnte. Ich hatte den Produzenten angekündigt, dass die dramaturgische Abteilung daraus ein Drehbuch entwickeln würde.
So entstanden meine ersten vier abendfüllenden Fernsehfilme. Die Produzenten der Sender, ausnahmslos gebildete Menschen mit gutem Geschmack, sahen sich diese Filme an und bedrängten ihre Dramaturgen, am Drehbuch zu arbeiten. Doch dazu kam es nie. Also wurden diese ‚Dokumentationen‘ mit Musik und Credits versehen und als Spielfilme ausgestrahlt. Während ich sie drehte, dachte ich an das Projekt des Historikers und Politikwissenschaftlers Howard Zinn: A People’s History of the United States. Darin versammelte er mündliche Zeugnisse und Erinnerungen, die eine subjektivere Version der ‚offiziellen Geschichte‘ erzählen. Ich hatte vor, ein vergleichbares Bilderbuch zu schaffen: ein Tagebuch unserer Zeit.“