Die Kunsthalle Wien widmet sich der Kunst und ihrer Rolle in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Sie produziert Ausstellungen, forscht zu künstlerischen Praxen und unterstützt lokale und internationale Künstler*innen. Sie bemüht sich, ihr Wissen über die internationale Kunst der Gegenwart in und für Wien zu verankern, und macht sich für die Fruchtbarkeit künstlerischer Denkweisen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens stark.
Ivet Ćurlin, Nataša Ilić und Sabina Sabolović, die neuen Direktorinnen der Kunsthalle Wien, bauen in ihrem Programm auf die Erfahrungen aus zwanzig Jahren kollektiver Arbeit in Zagreb und verschiedenen anderen Orten. Ihr besonderes Interesse galt dabei stets künstlerischen Praxen außerhalb der Machtzentren sowie den Verknüpfungen zwischen Kunst und diversen Formen von Aktivismus. Deshalb möchten WHW Wien in seiner ganzen Vielfalt in den Mittelpunkt ihres Programms stellen und einen Austausch mit Geografien, Geschichten, und Wissensformen anregen, die weniger Beachtung und Anerkennung erfahren als das Geschehen in den großen Hauptstädten des Westens.
WHW: „In Wien finden wir die seltene und kostbare Situation einer Stadt vor, die sich weiterhin stark für ihre öffentlichen kulturellen Einrichtungen und Initiativen engagiert. Die Unterstützung durch die Stadt wird es uns ermöglichen, dem Wiener Publikum weniger sichtbare Entwicklungen und ausgefallenere Ideen vorzustellen. Wir wollen die Kunsthalle Wien so leiten, dass sie zum Forum für vielfältige Stimmen jenseits des Mainstreams wird, und gleichzeitig fortlaufend den Dialog mit Künstler*innen vor Ort suchen sowie die Anliegen diverser gesellschaftlicher Gruppen in Wien aufnehmen. Das Programm wird daher die kulturelle Vielfalt unserer größeren Region, ihre ineinander verwobenen Geschichten und gegenwärtigen Herausforderungen widerspiegeln und zugleich den internationalen Horizont stets im Blick behalten. Wir wollen Ausstellungen organisieren, die die Wiener*innen auf der intellektuellen wie der emotionalen Ebene ansprechen. Dazu werden wir Ideen greifbar und Kunstwerke zugänglich machen, ohne die Komplexität des Denkens einzuebnen, welche in vielen Arbeiten zur Darstellung kommt. Wir glauben, dass unser Programm für das neue Jahr diese Zielsetzungen in konkrete Projekte übersetzt, und hoffen, eine große, vielfältige und engagierte Besucherschaft in der Kunsthalle Wien begrüßen zu können.“
Diese wichtigen ‚roten Fäden‘ ziehen sich durch das Programm für 2020:
Gastkuratoren
Wir wollen immer wieder neue Perspektiven von außen in die Kunsthalle Wien bringen, die die ohnehin vielfältige Wiener Kunstszene ergänzen und bereichern können. Für dieses Jahr haben wir die Kuratoren/Theoretiker Miguel A. López, Diedrich Diederichsen und Oier Etxeberria eingeladen, ihre laufenden Forschungen zur internationalen künstlerischen Situation einzubringen. Ihre Projekte befassen sich mit den Verbindungen zwischen verschiedenen künstlerischen Subjektivitäten und Verfahren. Wir werden unsere Gastkuratoren insbesondere ermuntern, nach künstlerischen Praxen vor Ort Ausschau zu halten, in denen ihre Themen anklingen.
Eine starke Präsenz für Wiener Künstler*innen
Grundlegend für alle Bestandteile des Programms und neugeschaffenen Strukturen ist der Wunsch, einen Dialog mit der Wiener Kunstszene aufzubauen; gleichzeitig wollen wir unseren internationalen Horizont erweitern und stetig das eine mit dem anderen verbinden. Eine Hauptkomponente dieser Bemühungen muss natürlich sein, Künstler*innen, die hier leben und arbeiten, eine starke Präsenz zu verschaffen. Dazu haben wir Ana Hoffner ex-Prvulovic* und Belinda Kazeem-Kamiński eingeladen, umfangreiche Einzelausstellungen zu gestalten. Außerdem werden wie in der Vergangenheit Arbeiten zweier junger Künstler*innen im Rahmen des Preises der Kunsthalle Wien produziert. Lokale Künstler*innen werden darüber hinaus in allen Gruppenausstellungen des Jahres 2020 vertreten sein.
Kooperationen mit anderen Einrichtungen
Die meisten für 2020 geplanten Ausstellungen werden in Zusammenarbeit mit anderen Wiener Institutionen verwirklicht. Dahinter steckt unsere bewusste Entscheidung, uns mit Kolleg*innen für die Umsetzung ehrgeiziger Projekte zusammenzutun, um ein größeres und diverseres Publikum anzusprechen. Eine Reihe von gemeinsam mit dem Burgtheater organisierten Performance- und Vermittlungsveranstaltungen im Vorfeld der ersten Ausstellung … von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden ist Ende 2019 angelaufen.
Die von Miguel A. López kuratierte Ausstellung And if I devoted my life to one of its feathers? wird zusammen mit den Wiener Festwochen entwickelt. Gemeinsam mit den Festwochen wird die Kunsthalle Wien außerdem ein besonderes Projekt im Ausstellungsraum am Karlsplatz verwirklichen. Die Želimir-Žilnik-Retrospektive stellt die erste künstlerische Zusammenarbeit der Kunsthalle Wien mit der Viennale dar.
Die von Diedrich Diederichsen und Oier Etxeberria kuratierte Ausstellung Cybernetics of the Poor wird durch Tabakalera in Donostia /San Sebastián koproduziert. Internationale Koproduktionen dieser Art sollen in Zukunft in größerem Umfang entwickelt werden.
Außerdem setzen wir die Zusammenarbeit mit der Akademie der bildenden Künste Wien und der Universität für angewandte Kunst Wien im Rahmen des Preises der Kunsthalle Wien fort, der unsere Verantwortung für die Förderung einer jungen Generation Wiener Künstler*innen durch Unterstützung bei der Umsetzung ihrer ersten größeren Produktionen unterstreicht. Mit der Akademie der bildenden Künste hoffen wir im Anschluss an die unabhängige Reihe von Künstler*innengesprächen und Diskussionsveranstaltungen im Zusammenhang mit … von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden die Zusammenarbeit weiter auszubauen und auch in künftigen Jahren gemeinsame Projekte zu initiieren.
Schließlich entwickeln wir 2020 eine Reihe von Veranstaltungen in Kooperation mit das weisse haus. Während der Dauer der ersten Ausstellung werden im Rahmen des Arbeitsstipendienprogramms von das weisse haus mehrere Künstler*innen in Wien leben und arbeiten.
Kontinuierlicher Austausch
Wien verfügt über eine höchst lebendige ‚alternative‘ Kunstszene, die ein wertvoller Bestandteil der hiesigen Kunstlandschaft ist. WHW glauben, dass die Kunsthalle Wien eine nützliche Rolle dabei spielen kann, einige dieser Initiativen einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, und möchten deshalb in den nächsten Jahren einen Austausch mit verschiedenen freien Räumen, Basisbewegungen und Aktivistenorganisationen aufbauen. Eine Zusammenarbeit mit solchen Partnern erfordert aus guten Gründen, dass wir erhebliche und langfristige Verpflichtungen eingehen. Einen ersten Versuch möchten wir starten, indem wir in der Kunsthalle Wien Museumsquartier eine Exhibition Machine einrichten werden, in der Produktion, Diskussionen und der Austausch zwischen der Kunsthalle Wien und lokalen Künstler*innen, Kulturschaffenden und diversen Initiativen entwickelt und vertieft werden können.
Vermittlung
Die Kunsthalle Wien ist zu Recht auf ihr vielfältiges Vermittlungs-programm stolz, das die neuen Direktorinnen im Jahr 2020 stärken und weiterentwickeln wollen. Das Vermittlungsteam wird daher noch enger mit vielen der ausstellenden Künstler*innen zusammenarbeiten, um mit ihnen gemeinsam darüber nachzudenken, welche Formate und Themen am besten geeignet sind, verschiedene Besucher*innengruppen in Wien anzusprechen. Vorträge, Workshops und Konferenzen im Zusammenhang mit der Eröffnungsausstellung werden unter anderem mit dem Verein für Frauenintegration, dem Amerlinghaus, das weisse haus, dem Burgtheater, der Brunnenpassage, der Akademie für bildende Künste Wien und zahlreichen Künstler*innen und Kollektiven wie Marwa Arsanios, Cooking Sections, Hana Miletić, Pirate Care und Andreas Siekmann entwickelt. Über das ganze Jahr verteilt werden breitgefächerte Veranstaltungsprogramme die Prozesse und Wirkungen künstlerischer Arbeit beleuchten, während Veranstaltungen für eingeladene Gruppen dem Bedürfnis nach einem Raum für konzentrierte Forschung Rechnung tragen werden.
Das Vermittlungsteam wird sein äußerst erfolgreiches Programm für Kinder mit einer Neuauflage der Ausstellung Space for Kids fortsetzen, die dieses Jahr als Sommerakademie für junge Besucher*innen mit dem Titel Das Kunst-Natur-Labor oder die wuchernde Wunderkammer gestaltet wird. Viele unserer Vermittlungsprojekte, die unter Einbeziehung künstlerischer Perspektiven entwickelt werden, zielen darauf ab, bei verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen innerhalb der Stadtgemeinschaft, die ihre je eigenen dringenden Anliegen mitbringen, Interesse an der Kunsthalle Wien und ihrer Arbeit zu wecken.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Die Kunsthalle Wien will die Prinzipien der Offenheit, Vielfalt und Fairness in ihren institutionellen Strukturen zur Geltung bringen. Eine der ersten Begegnungen in dieser Hinsicht hatten wir mit der IG Bildende Kunst, die uns von ihrem Kampf um einen fairen Umgang mit Künstler*innen berichtete. Die Kunsthalle Wien unterstützt diese Initiative vorbehaltlos und verpflichtet sich daher, allen Künstler*innen und Kulturschaffenden, die an unseren Programmen mitwirken, ein Honorar zu bezahlen. Wir hoffen, dass die Frage, wie Künstler*innen von ihrer Arbeit leben können, in den nächsten Jahren ein wichtigeres Thema im Kulturbereich werden wird, und freuen uns, Diskussionsveranstaltungen dazu in der Kunsthalle Wien auszurichten.
WHW: „Unser Programm steht für den Wunsch nach einem regen internationalen Austausch auf solidarischer Grundlage und danach, eine Beziehung zu Wien aufzubauen. Ob und wie uns das gelingt, werden wir im Laufe des Jahres von unseren Besucher*innen erfahren. Natürlich freuen wir uns, wenn die Wiener*innen unsere Arbeit unterstützen, aber wir gehen davon aus, dass wir auch aus Fragen, Anerkennung, Ablehnung und Zweifeln eine Menge lernen werden. Wir hoffen, dass lebhafte Diskussionen uns helfen werden, die Kunsthalle Wien zu einem wirklichen Ort der Kunst für die Stadt zu machen.“