„Keine Wunde, nichts“
Von Amaryllis Sommerer
Milena Verlag
EUR 14,90//Sfr 28,70
ISBN 978 3 85286 195 1
Eine zu Tode umarmte Vierzehnjährige im Hausflur.
Eine trinkende Teilzeitkellnerin als Leichenwäscherin.
Ein perfekt geschminkter toter Buchhalter, der entsorgt werden muss.
Eine ausgebrannte Fernsehredakteurin, die das Hauptabendprogramm zensiert.
Ein Wiener Durchhaus, dessen Tore nach und nach geschlossen werden.
Kein Atem. Der Blick leblos. Kalte Wangen. Totes Haar. Tot. Was war da passiert im Augenblick des Todes? Ob sich im Gesicht der Toten vielleicht etwas nachlesen ließe?
Die Erlösung von einem unglücklichen Dasein? Das Lustgefühl der Auflösung?
Der Anblick eines Mörders sogar?
Geführt von einer unangemessenen Neugier griff Maras Hand unter den Nacken des Mädchens und hob seinen Kopf ein wenig zu sich heran. Ganz genau wollte sie es plötzlich wissen. Schwachsinn. Da war nichts Gewalttätiges zu sehen. Keine Wunde, kein Blut, nichts. Mara starrte die Tote an mit dem gierigen Gefühl, etwas rares Existenzielles zu er leben. Glotzte ihr fasziniert ins Gesicht, wider besseren Wissens. Sie wusste, dass sie es dann später nicht aushalten würde, dieses Gesicht, das sie gerade in sich aufsog. Eine Totenmaske für ein lebenslanges Gedächtnis.