Die Laufbahn von Frederick Wiseman ist außergewöhnlich: nach seinem Jusstudium arbeitete er als Rechtsanwalt in Paris und war ab 1959 Professor für Recht und Medizin an der Boston University, bevor er 1967 zum Film wechselte. Er gilt heute als wichtigster Vertreter des so genannten „Direct Cinema“, einem Typus des Dokumentarfilms, der darum bemüht ist, das gefilmte Geschehen und die darin agierenden Subjekte durch die Anwesenheit der Kamera in ihrer Authentizität möglichst wenig zu beeinflussen. In seinem jüngsten Dokumentarfilm Crazy Horse porträtiert Wiseman den gleichnamigen Pariser Nachtclub, der für die „best nude shows in the world“ steht. Obschon der Film mit seinem thematischen Fokus überraschen mag, weil sich Wiseman mit sozialkritischen Filmen wie Welfare oder Domestic Violence einen Namen gemacht hat, steht Crazy Horse in letzter Konsequenz in der gleichen Traditionslinie, die sich dem Blick auf gesellschaftsrelevante Themen verpflichtet, in diesem Fall der Sehnsucht nach erotischer Erfüllung und der Unmöglichkeit, diesem vielschichtigen Begehren allein optisch gerecht zu werden.
Frederick Wiseman, Crazy Horse, 2011, 134 Min © Zipporah Films, Cambridge.
Frederick Wiseman (*1930) ist Filmemacher, Produzent und Drehbuchautor. Er lebt und arbeitet in New York.