August Sander gilt als Pionier einer dokumentarisch-konzeptuellen Fotografie. Sein um 1924 entwickeltes Werk Menschen des 20. Jahrhunderts zeigt Vertreter/innen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen und versteht sich als Sozialporträt seiner Zeit. Im Fokus liegen die Beziehung zwischen dem Individuellen und Typischen sowie die wechselseitige Beeinflussung von Mensch und Gemeinschaft. Gabriele Conrath-Scholl, Leiterin der Photographischen Sammlung der SK Stiftung in Köln, die den Nachlass von August Sander besitzt, kontextualisiert das Werk von Sander und stellt Verbindungslinien zu aktuellen Positionen der Gegenwartskunst her, die eine ähnliche fotografische Gesellschaftsanalyse anstreben.
Der Vortrag ist Teil einer Reihe von Talks, die unter dem Motto Kunstgeschichte heute steht. Kunstgeschichte basiert auf der Annahme, dass wissenschaftliche Rezeption und Interpretation selbst zeitgebundene Handlungen sind. Bildende Kunst mit einem gegenwärtigen Blick zu betrachten, blendet deshalb zwangsläufig eine zeitgenössische Wahrnehmung über eine historische Praxis. Die Gesprächsreihe versucht diese Sichtweise zu radikalisieren: Was interessiert uns heute und warum?