Karlsplatz-Gespräch I „Alles oder nichts“

Veranstaltung
21/11 2002 
Karlsplatz

Anlässlich der 10 Jahre KUNSTHALLE wien

14 – 17 Uhr

Vortragende:
Marcel Meili, Professor für Architektur und Design Zürich
Boris Groys, Professor für Philosophie und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe
Gerald Matt, Direktor Kunsthalle Wien

Das Karlsplatz-Gespräch I „Alles oder nichts“ als Auftakt einer neuen Gesprächsreihe zu den Themen Kunst und Alltag in der Kunsthalle Wien, project space karlsplatz.

Positionsbestimmungen zeitgenössischer Museen und Ausstellungshäuser im 21. Jahrhundert anhand aktueller Fragestellungen:
Sind Sie Bilderspeicher der Gegenwart oder Kontemplationszonen einer beschleunigten Gesellschaft?
Wie kann das Museum heute seine Rolle als Ort der Aufklärung und Reflexion bewahren?
Welche Rolle spielt die Architektur bei Museumskonzepten der Gegenwart und der Zukunft?

Alles oder nichts
10 Jahre KUNSTHALLE wien

„Alles oder nichts“ ist gewählt als das Motto für die 10-Jahresfeier der Kunsthalle. Das klingt ziemlich forsch, ziemlich ultimativ. Wir haben diesen Titel mit Blick auf den italienischen Romancier Tomaso di Lampedusa gewählt, der geschrieben hat: „Wenn wir wollen, daß alles so bleibt wie es ist, dann ist es nötig, daß alles sich ändert.“ Anders herum gewendet hieße das, dass man schnell im Aufmerksamkeits-Out, also im „Nichts“ landen kann, wenn man sich dem Veränderungsdruck verweigert, der von der Gesellschaft und der Kunst ausgeht. Ausstellungshäuser sind heute weniger Orte der auratisierten Begegnung mit dem Kunstheiligen als Zonen der Spiegelung gesellschaftspolitischer und ästhetischer Veränderungen und beschleunigter Lebenswelten. Und so haben sich die Schwerpunkte in den letzten Jahren verlagert: Von Ausstellungen, die den Themen und Künstlern der klassischen Moderne gewidmet waren (Oskar Schlemmer, Spanischer Surrealismus, Alberto Giacometti), hin zu fast nur noch unmittelbarer Gegenwartskunst.
Vor fünf Jahren haben wir uns Ziele für die Zukunft gesteckt: höchste Qualität und Aktualität, attraktive Programmgestaltung, optimale Resonanz bei den Medien, zeitgenössisches Ambiente, hervorragende Ausstellungs- und Arbeitsbedingungen, steigende Besucherzahlen. Diese Ziele wurden erreicht. Um aber die Position als erste Adresse der Gegenwartskunst in Wien nicht zu verspielen, müssen immer wieder Feinabstimmungen im Programm, im Marketing, in der ganzen Performance vorgenommen werden.
In der Ausstellungspraxis der vergangenen Jahre haben wir ein „5-Säulen-System“ entwickelt, das auch in Zukunft gelten soll: Ausstellungen wie „Eine barocke Party“ oder „Tableaux Vivants“ suchen den Dialog mit der Kunstvergangenheit und wollen Gegenwartsästhetiken aus der Tiefe der Geschichte heraus profilieren und kontextualisieren.
Präsentationen wie „Flash Afrique“ und „Kapital & Karma. Zeitgenössische Kunst aus Indien“ stemmen sich gegen das Interpretationsmonopol der westlichen Kunsttheorie und versuchen den Kunstszenen in der sogenannten ´Dritten Welt` eine Plattform zu geben.
Personalen wie „Steve McQueen“, „Pipilotti Rist“ und „Nan Goldin“ wiederum bemühen sich, jene ´niederen Frequenzen` zum Klingen zu bringen, über die die Geheimbotschaften der Popkultur verbreitet werden.
Eine weitere wichtige Programmschiene im Rahmen der größeren und großen Ausstellungen ist die Präsentation vergessener heimischer Künstler, die ins Exil gezwungen wurden („Visionäre und Vertriebene“, „Übersee“, „Lisette Model“).
Ihre fünfte zentrale Aufgabe sieht die Kunsthalle Wien darin, österreichische Künstler in internationale Zusammenhänge zu bringen („Lebt und arbeitet in Wien“, „Martin Arnold“) respektive deren ästhetische Konzepte und Praktiken in Einzelausstellungen zu zeigen („Gottfried Bechtold“, „Robert Adrian X“).

Knapp ein Jahr nach dem Umzug der Kunsthalle in das neue Haus (2001) mit zwei Ausstellungshallen, Werkstätten, Depots, Anlieferungsräumlichkeiten, Film- und Vortragsraum etc. wurde bereits eine weitere Etappe des Erfolgsweges absolviert: Die Eröffnung des project space am einstigen „Stammplatz“ am Karlsplatz. Er wurde als ein Ort für Experimente eingerichtet, als „schneller Brüter“ für interventionistische Aktionen, als Schnittstelle zwischen Kunst und öffentlichem Raum und als Plattform der Kommunikation für eine junge Kunstszene, die ein gleichermaßen junges Publikum anspricht.
Gerald Matt, Direktor der Kunsthalle Wien, im Resümee: „Die Kunsthalle verfügt über drei Spielorte, an denen sie zeigen kann, dass es nicht darum geht, populäre Programme zu machen, sondern schwierige Programme populär zu machen. Wir sehen uns als eine Art „Welcome Service“ an der Pforte des Elfenbeinturms“.

Die Daten, die in den letzten Jahren eingeholt wurden, zeigen, dass das Projekt der Erschließung eines Publikums für die zeitgenössische Kunst gelungen ist: die Besucherzahlen konnten seit 1995 mehr als verdoppelt werden und 85% des Publikums sind jünger als 40 Jahre. Das heißt, die Kunsthalle ist zu einer Schule der ästhetischen Sensibilisierung und der Wahrnehmungsgenauigkeit geworden. Sie kann relevante Segmente der wachen, jungen Milieus erreichen und damit zur Bewusstseinsbildung in einer Stadt beitragen, die nicht zu Unrecht ihre Weltoffenheit und globale Anschlussfähigkeit betont.

Die Veranstaltungen zu 10 Jahre KUNSTHALLE wien wurden von unseren Geschäftspartnern ermöglicht.
Wir danken:
Ottakringer Brauerei AG; Alles aus Stoff und Leder; Dieter Auracher, Grafiker; Bruckschwaiger GmbH; Julius Deutschbauer / Gerhard Spring; Falter, Stadtzeitung Wien; Druckerei Gerin; Holzhausen Druck; hs art service; IMS International Mail Service GmbH; K & K Hotel Maria Theresia; Kurier; Foto Leutner Fachlabor; Media Trade; Reinhard Reinigung; REMAprint; Reumiller&Reumiller Werbeagentur; OEG; Der Standard; Trevision; TGB Technische Gebäudebetreuung GmbH; Vöslauer Heilquellen GmbH; ZONE