Želimir Žilnik: Kleine Pioniere (1968) & Die zweite Generation (1984)

Filmprogramm
21/12 2020 — 3/1 2021 
Online

Im Feiertags-Special unserer Reihe Screen Time präsentieren wir Ihnen zur aktuellen Ausstellung von Želimir Žilnik ein weiteres Filmdoppel (eine Kurzdokumentation sowie einen Spielfilm) – diese Mal stehen Jugendliche, ihre Sorgen und Zwiespälte im Mittelpunkt. Beide Filme sind vom 21. Dezember 2020 bis 3. Januar 2021 exklusiv und kostenfrei hier als Stream verfügbar.

Kleine Pioniere
Pioniri maleni mi smo vojska prava, svakog dana ničemo ko zelena trava
Jugoslawien • 1968 • 18 min

Vernachlässigte Kinder, die auf sich alleine gestellt sind, wagen sich auf die Straßen, um zu stehlen. Sie streiten mit ihren Eltern, die sie weder verstehen noch liebevolle Gefühle für sie haben. Als Kontrapunkt zu dieser Geschichte sehen wir eine Fernsehshow, in der ein beliebter Moderator namens Gula (Dragoljub Milosavljević) sein Publikum, bestehend aus glücklichen und unbekümmerten Kindern, unterhält.

Žilnik war einigen der sozial benachteiligten Protagonist*innen aus seinem Film Kleine Pioniere schon während der Dreharbeiten für ein anderes Projekt begegnet. Zu dieser Zeit wurden in Novi Sad neue Straßen gebaut und alte Häuser abgerissen. Viele der Kinder lebten in den Ruinen dieser Gebäude und verdienten ihr Geld mit dem Verkauf von Zeitungen und Blumen. Žilnik war tief beeindruckt von ihrem Mut und Selbstvertrauen, mit dem sie ihr Überleben meisterten.

Während der Filmaufnahmen wurde Žilnik verhaftet und musste zwei Tage im Gefängnis verbringen – die Polizei bedrängte, die Kinder zu verraten und auszusagen, wo diese das bei ihren Taschendiebstählen erbeutete Geld versteckt hätten. Die Behörden glaubten dem Regisseur nicht, dass er einen Film machte, und nur dank der Vermittlung seiner Produktionsfirma, Neoplanta Film, wurde er wieder freigelassen.

Kleine Pioniere entfachte bei seinem Kinostart heftige Debatten. Viele Menschen fanden den Film schockierend – insbesondere in einer sozialistisch geprägten Gesellschaft, die sich damit brüstete, gerade für ihre unterprivilegierten Mitglieder Sorge zu tragen. Die jüngere Generation von Kritiker*innen bewertete den Film jedoch durchwegs positiv, er erhielt auch Auszeichnungen und wurde im Fernsehen gezeigt. Wie er es so oft mit seinen Darsteller*innen tat, setzte Žilnik später seine Zusammenarbeit mit einigen der Kinder fort. In der Ausstellung ist die Hauptfigur der Mädchen, Pirika, auch in seiner berühmten Arbeit Early Works (1969) zu sehen. Jahrzehnte später drehte Žilnik einen ganzen Film über ihr Leben: Pirika im Film (2013).

Die zweite Generation
Druga generacija
Jugoslawien • 1984 • 90 min

Nach elf Jahren in Stuttgart kehrt der 15 Jahre alte Pavle Hromiš zurück nach Jugoslawien, in das Haus seiner Großmutter im Dorf Kucura, um seine schulische Ausbildung in seinem Herkunftsland fortzusetzen. In der ersten Woche findet sich der Junge nur schwer mit der neuen Umgebung, dem unterschiedlichen Lehrplan und den Leuten, die er nicht kennt, zurecht. Nach einem Streit mit seiner Großmutter und Konflikten mit seinen Klassenkamerad*innen läuft Pavle davon und kommt zurück nach Deutschland. Seine Eltern erlauben ihm jedoch nicht, nochmals eine deutsche Schule zu besuchen, da sie planen, in ein oder zwei Jahren selbst wieder nach Jugoslawien zu ziehen. Seine alten Freunde distanzieren sich von ihm, aber als sie Pavle auch noch wegen der ärmlichen und primitiven Verhältnisse in seinem Heimatland verspotten, verteidigt sich dieser und beginnt, seine Erlebnisse in einem ganz neuen Licht zu sehen. Wieder in Jugoslawien, besucht er ein Internat in Novi Sad, wo er andere Jugendliche kennenlernt, die als Rückkehrer*innen aus Ländern wie Australien, Kanada, Österreich usw. ein ähnliches Schicksal wie das seine teilen.

Žilniks Interesse an Kinder, die getrennt von ihren Familien leben und zur Schule gehen, war durchaus persönlicher Natur, den seine Tante, die ihn großzog, war Leiterin eines großen Wohnheims in Novi Sad. Als er für seinen Film nach Schüler*innen zu suchen begann, stellte er überrascht fest, dass viele von ihnen die serbische Sprache nicht gut beherrschten und mit zwei unterschiedlichen Identitäten zu kämpfen hatten, zwischen denen sie sich zu verlieren drohten.

Da Žilniks erster Film über Pavle Hromiš beim Publikum so gut ankam, beauftragte ihn die in Belgrad ansässige Produktionsfirma Art Film, zusätzliches Material über Pavle zu drehen und daraus einen Spielfilm zu machen. So entstand Die zweite Generation, der ebenfalls äußerst erfolgreich war und von vielen Fernsehstationen ausgestrahlt wurde, u.a. in Polen, Ungarn oder der Tschechoslowakei.

Wir danken TV Vojvodina für die Möglichkeit, Ihnen diesen Film präsentieren zu dürfen.

 

Ausstellung