„Nur indem man in diese Stadt zieht, kann man die Bedeutung all der Verheißungen erkennen. Die ihnen gemeinsame Eigenschaft ist Offenheit.“ (John Berger, Arbeitsmigranten, 1976) Europas Zukunft hängt ganz wesentlich von Zuwanderung ab. Denn auf unserem Kontinent sterben mehr einheimische Europäerinnen und Europäer als hier zur Welt kommen. Damit stellen sich allerdings eine Reihe von Fragen: Woher werden Zuwanderer in Zukunft kommen? Für wen bleibt Europa attraktiv – für wen nicht? Können und wollen die Gesellschaften Europas neue Zuwanderer überhaupt integrieren? Die Entwicklung der letzten 30 Jahre zeigt: Europa als ganzes wurde von einer Auswanderungsregion zu einem Einwanderungskontinent. Doch nicht alle mobilen Menschen wollen sich auf Dauer niederlassen. Deshalb gibt es moderne Nomaden – freiwillige wie unfreiwillige Nomaden des 21. Jahrhunderts. Und von jenen, die für längere Zeit oder für immer bleiben, übernehmen keineswegs alle das Lebensmodell ihrer neuen Heimat. Etliche bleiben mit einem Fuß in der alten Heimat und bilden dadurch neue Diasporas in Europa. Schon deshalb wird Europa in 40 Jahren ganz anders aussehen als heute. Verändern wird sich damit auch unsere Vorstellung davon, was eine Europäerin oder ein Europäer sein kann.
Rainer Münz (*1954) ist Leiter der Forschungsabteilung der Erste Group Bank AG. Er lebt und arbeitet in Wien. Münz ist Senior Fellow am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). 2009 erschien seine Publikation Overcrowded World? Global Population and International Migration.