Survive, Subsist and Resist

Diskussion
13/5 2022 19 — 20:30 Uhr
Museumsquartier

Mit: Sheri Avraham, Johan Frederik Hartle, Anna Spanlang und Chin Tsao
Moderation: Anke Schad-Spindler

Veranstaltung in englischer Sprache

Der Eintritt ist frei.

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Was braucht es heutzutage, um ein*e junge*r Künstler*in sein? Vor dem Hintergrund einer allgemeinen Sparpolitik, sinkender öffentlicher Zuwendungen, zunehmender Privatisierung und einer immer schwächer werdenden politischen bzw. gewerkschaftlichen Vertretung ist das Dasein als junge*r Künstler*in (und mit „jung“ ist hier keine bestimmte Altersgruppe, sondern der Beginn einer professionellen Laufbahn gemeint) vor allem durch eines geprägt: eine prekäre Lebensweise, hervorgerufen durch instabile und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, in einer ungesicherten Gegenwart mit unvorhersehbarer Zukunft.

Heute ein*e junge*r Künstler*in sein, beinhaltet also eine doppelte Entfremdung: Fehlt die familiäre Unterstützung, müssen junge Künstler*innen, um über die Runden zu kommen, einen Brotjob finden und versuchen, diesem aber nicht mehr Raum als notwendig zu geben, damit Zeit für ihre eigene künstlerische Arbeit bleibt. Gleichzeitig müssen sie ständig nach Möglichkeiten der Präsenz in der Kunstwelt Ausschau halten – wie die Teilnahme an Ausstellungen oder Diskussion oder die Bewerbungen um Preise, Stipendien und andere Förderungen – und dabei die Bedingungen, die mit diesen einhergehen, ausblenden: ungeregelte Arbeitszeiten, ein hohes Maß an Mobilität und Flexibilität, ständige Erreichbarkeit, niedriger (oder gar kein) Lohn und keine Sozialleistungen.

Wenn Judith Butler über Prekarität als materielle oder immaterielle Unsicherheit spricht, als ein zunehmendes Ausgesetztsein gegenüber Gewalt, Krankheit und Tod, führt sie eine gegenderte, queere und rassifizierte Perspektive an, um intersektionelle Diskriminierung hervorzuheben. Denn wie Prekarität im kulturellen wie auch in allen anderen Bereichen erlebt wird, unterscheidet sich natürlich je nach race, class und gender sowie sexueller Orientierung der betroffenen Personen. Die intersektionelle Diskriminierung und die Spezifika  der Arbeit im Kunstsystem beeinflussen sich gegenseitig.

Die Veranstaltung gliedert sich in drei Teile: Zuerst sprechen Anna Spanlang und Chin Tsao, beide Preisträgerinnen des Preises der Kunsthalle Wien 2021, über ihre eigenen Erfahrungen, insbesondere die finanziellen Schwierigkeiten und/oder Diskriminierungen, mit denen sie zu kämpfen hatten, als auch über die Strategien, die sie gefunden haben, um mit ihren prekären Lebensumständen umzugehen und diese zu verbessern. Danach kontextualisiert die Wissenschaftlerin Anke Schad-Spindler ihre Berichte mithilfe von statistischen Daten und analysiert die finanzielle Situation junger Künstler*innen in Österreich und Europa über die letzten zehn Jahre hinweg, insbesondere während der Covid-19-Pandemie.

Sheri Avraham, Künstlerin und Vorstandsmitglied der IG Bildende Kunst Wien, und Johan Frederik Hartle, Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien, geben im dritten Teil einen Überblick über die existierenden Strukturen öffentlicher Förderung (auf staatlicher wie städtischer, kulturpolitischer wie akademischer Ebene) und diskutieren anschließend, was neu gedacht und anders gemacht werden müsste, um die finanzielle und soziale Lage aller jungen Künstler*innen diskriminierungsfrei und langfristig zu verbessern: angefangen von strikten Fair-Pay-Regelungen über neue Förderstrukturen hin zu einer politischen Rückbesinnung darauf, welche Rolle künstlerische Arbeit bei der Schaffung von kulturellem Wert für die gesamte Gesellschaft spielt.

Anliegen dieser Podiumsdiskussion ist es, einen Horizont aufzuzeigen, der junge Künstler*innen davon befreit, sich zwischen zwei Übeln entscheiden zu müssen: entweder trotz dieser Prekarität weiterzukämpfen und durch ununterbrochene Selbstausbeutung in sich selbst zu „investieren” – oder es ganz bleiben zu lassen.

Sheri Avraham ist Künstlerin, Kuratorin und Theatermacherin. Derzeit arbeitet sie als Kuratorin bei D/Arts, Projektbüro für Diversität und urbanen Dialog. Sie ist Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft Bildende Künste und arbeitet gemeinsam mit der Tiroler Künstler*innenschaft an der Realisierung von Fair Pay – Entlohnungen für Bildende Künstler*innen. Sie versteht sich als Übersetzerin zwischen Theorie und Praxis, zwischen Klassen, Religionen, Geografien und Generationen.

Johan Frederik Hartle ist Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien mit den Ressorts Forschung, Wissenschaft und Internationales sowie Personal und Finanzen. Zuvor war er kommissarischer Rektor und Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Nach der Promotion führten ihn Forschungsstipendien nach Jerusalem und Rom, bevor er zum Assistenzprofessor für Kunst- und Kulturphilosophie an der Universität Amsterdam wurde. Seine Veröffentlichungen beschäftigen sich mit Positionen der zeitgenössischen Kunst, institutionellen Kunsttheorien, politischer Ästhetik und der Tradition des Roten Wien.

Anke Schad-Spindler forscht seit 2006 in den Bereichen Kulturpolitik, Kulturmanagement und kulturelle Bildung. Seit 2020 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Post Doc) im Projekt „Agonistic Cultural Policy (AGONART) – Case Studies on the Conflicutal Transformation of Cultural Quarters“. Seit 2017 ist sie als freiberufliche Forscherin, Evaluatorin und Prozessmoderatorin für Auftraggeber*innen wie das Goethe-Institut tätig. 2019 wurde Anke Schad-Spindler in den Expert*innenrat für kulturelle Vielfalt der Österreichischen UNESCO-Kommission berufen.

Anna Spanlang studierte Video- und Videoinstallation sowie Kunst und digitale Medien bei Dorit Margreiter und Constanze Ruhm an der Akademie der bildenden Künste Wien sowie an der CENART in Mexico City. Diplom im Juni 2021 bei Dorit Margreiter. Sie ist Mitglied von YOUKI, FC Gloria, Mala Sirena und Green Scream.

Chin Tsao erwarb ihren BFA in Taipeh. Im Jahr 2021 schloss sie ihr Masterstudium an der Abteilung TransArts der Universität für angewandte Kunst Wien bei Roman Pfeffer und Kathrin Rhomberg ab.

 

Ausstellung