Die Ausstellung JAZZ. präsentiert Rene Matić (*1997, Peterborough, UK) und Oscar Murillo (*1986, La Paila, Kolumbien) zum ersten Mal gemeinsam. Die beiden Künstler*innen zeigen sowohl bestehende Werke als auch neue Auftragsarbeiten, die speziell als Reaktion auf den Ausstellungsraum wie auch die Stadt Wien entstanden sind. Mit malerischen Gesten, Installationen, Film, Fotografie und Ton steht jedes der gezeigten Elemente von Matić und Murillo im Dialog und wird von Murillos schwarzer Leinwandinstallation gerahmt, die im gesamten Raum von der Decke abgehängt ist. Gemeinsam erforschen die beiden Künstler*innen durch Analyse und Versöhnung die Unmöglichkeiten und Widersprüche, die mit Fragen des Begehrens, der Sichtbarkeit und Opazität verbunden sind. Im Kontrast zu Transparenz akzeptiert Opazität, dass nicht alles, was uns ausmacht, restlos verstanden werden kann.
Die Künstler*innen nehmen unterschiedliche Perspektiven ein und arbeiten in verschiedenen Medien, beide verwenden jedoch in ihren Praktiken Gesten und Abstraktionen. Murillo zieht dem Subjektiven und Individuellen das Gesellschaftliche und Kollektive vor, während Matićs künstlerische Praxis oft auf dem Persönlichen beruht. Im Mittelpunkt von Murillos Werk steht oft eine gestische, an Action Painting erinnernde Malerei, die dem Einsatz von Tanz in Matićs Videos ähnelt; beide teilen eine spontane, unbeschwerte und improvisierte Herangehensweise. Zudem gelingt es den Künstler*innen, sich in einem kulturellen Kontext, der alles und jede*n klassifizieren und glätten will, einen Raum der Unabhängigkeit zu erkämpfen und die eigenen (kunst-)historischen Narrative und Genealogien neu zu formulieren.
Der Titel JAZZ. löst vielfältige Resonanzen aus und berührt Eigenschaften der Praktiken beider Künstler*innen. Er kann als eine Form der künstlerischen Zusammenarbeit verstanden werden, aber auch als eine Form der Rezeption: eine, in der sich kulturelle Sensibilitäten verbinden, in der improvisiert wird und die Interaktion innerhalb einer Gruppe ebenso entscheidend ist wie die individuelle Stimme. JAZZ. deutet auf das Begehren hin, das Andere zu konsumieren, spielt mit Performativität und bewahrt sich das Recht auf Opazität.
In der Ausstellung hängen Oscar Murillos großformatige schwarze Bilder von der Decke herab und bilden eine fast labyrinthische Struktur; so formen sie behutsam den Raum und erlauben intime Begegnungen mit den Werken, wie fields of spirits (2023) und Telegram (2016–2023). Beide Serien basieren auf dem Gemeinschaftsprojekt Frequencies, für das Murillo Tische in Schulen weltweit mit Leinwänden überzieht, auf denen Schüler*innen frei malen, zeichnen und kritzeln können.
Das Arbeiten mit Fragmenten – die in unterschiedlichen Räumen und Zeiten entstanden sind und von einem Ort zum anderen transportiert wurden, um schließlich zusammengefügt oder Schicht um Schicht überarbeitet zu werden – steht seit Langem im Mittelpunkt von Murillos Werk. Diese Praxis unterstreicht die Präsenz zahlreicher Hände und höchst vielfältiger geografischer Kontexte, die Murillos Malereien, Skulpturen und Performances durchdringen.
Rene Matićs Beiträge zur Ausstellung JAZZ. umgeben Murillos Konstruktion, sind teils aber auch in diese eingebettet. Vier neue Auftragsarbeiten nehmen die Reaktion und „Empörung“ Wiens auf Josephine Bakers Auftritt in der Stadt im Jahr 1928 zum Ausgangspunkt. Mit den Filmarbeiten redacted und climax, der Fotoserie (out of) place und der Klangarbeit voice nimmt Matić Bezug auf die Reaktionen, die Baker damals im erzkatholischen Wien auslöste.
In redacted sehen wir, wie Matić in einem schwarzen Raum tanzt, der von einem einzigen, feststehenden Scheinwerfer erhellt wird. Matić nutzt die Dunkelheit als Einschließung und Rückzugsstrategie, die ebenso Verweigerung wie Schutz bedeuten kann – eine Vorstellung, die für Körper, die in ihrem kulturellen und gesellschaftlichen Kontext grundsätzlich schon exponiert sind, lebenswichtig ist.
voice lässt von Zeit zu Zeit Kirchenglocken im Ausstellungsraum erklingen – allerdings nicht, wie bei Bakers Ankunft in Wien, um vor ihr zu warnen, sondern um zum Gebet für sie aufzurufen und der Tänzerin ihre Stimme zurückzugeben. Die Glocke fungiert auch als eine Störung im Raum, um das Publikum an seine Teilhabe am Akt des Betrachtens und an die Geschichten und Politiken zu erinnern, die mit diesem Akt verbunden sind.